Quantenmaterie im Orbit

Extrem tief gekühltes Bose-Einstein-Kondensat auf der Internationalen Raumstation erzeugt
Blick von der Internationalen Raumstation auf die Erde.
Blick von der Internationalen Raumstation auf die Erde.
© NASA
Pasadena (USA) - Vor 25 Jahren gelang amerikanischen und deutschen Physikern die Erzeugung eines neuen Aggregatzustands: das Bose-Einstein-Kondensat, kurz BEK. In diesem gehen hunderte bis tausende Atome einer extrem tief gekühlten Wolke in ein und denselben quantenmechanischen Zustand über. Nun stellten amerikanische Wissenschaftler auch auf der Internationalen Raumstation ISS ein solches Bose-Einstein-Kondensat her. Wie sie in der Fachzeitschrift „Nature“ berichten, zeigte ihre tief gekühlte Wolke aus Rubidiumatomen deutliche Unterschiede zu allen BEK-Experimenten auf der Erde. Sie hoffen, mit diesen Versuchen unter sehr geringer Schwerkraft – der Mikrogravitation – quantenphysikalische Effekte besser untersuchen sowie neuartige Atomlaser und empfindliche Messverfahren optimieren zu können.

Mehrere Jahre bereiteten David Aveline und seine Kollegen vom Cold Atom Laboratory am California Institute of Technology in Pasadena das ehrgeizige BEK-Experiment vor. So setzten sie die notwendigen Komponenten vom Laser bis zur Vakuumpumpe auf möglichst engem Raum zu einem kompakten Experiment zusammen. Dabei behielten sie besonders den Strombedarf im Blick, da die Energieressourcen auf der ISS beschränkt sind. Zudem musste ihr Aufbau möglichst wartungsfrei funktionieren. Nach Testläufen auf der Erde schoss schließlich eine Antares-Rakete vor zwei Jahren das BEK-Experiment in die Erdumlaufbahn und wurde erfolgreich an Bord der ISS installiert.

Wie auf der Erde wird auf der ISS eine Wolke aus Rubidiumatomen in einer magnetischen Falle festgehalten. Mit mehreren Methoden kann die Wolke bis auf einen winzigen Bruchteil über den absoluten Nullpunkt bei minus 273,15 Grad Celsius abgekühlt werden. Dabei frieren quasi alle Bewegungen der Rubidiumatome ein und das Bose-Einstein-Kondensat entsteht. Erste Versuche an Bord der ISS offenbarten nun die Vorteile der Mikrogravitation. So zeigte sich das BEK nach Abschalten der magnetischen Falle deutlich stabiler als unter der Schwerkraft auf der Erde. Die sogenannte freie Expansionszeit lag im Erdorbit bei gut einer Sekunde im Vergleich zu Dutzenden Millisekunden auf der Erde. Zudem musste die magnetische Falle weniger stark ausgeprägt sein, wodurch sich ebenfalls die Versuche mit Bose-Einstein-Kondensaten erleichtert werden könnten.

„Die erfolgreiche Erzeugung von Bose-Einstein-Kondensaten im Orbit eröffnet neue Möglichkeiten zur Erforschung von Quantengasen“, kommentiert Maike Lachmann vom Institut für Quantenoptik der Universität Hannover die aktuellen Ergebnisse. Nicht nur quantenphysikalische Prozesse ließen sich damit besser untersuchen. Auch das hochempfindliche Messverfahren der Atominterferometrie – nutzbar für eine optimierte Satellitennavigation – und die Entwicklung von Atomlasern, in denen sich Materiewellen statt Lichtwellen korreliert ausbreiten, könnten durch die Bose-Einstein-Kondensate in der Erdumlaufbahn neue Impulse erhalten.

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