Im Alter schrumpft Stammzellen-Vorrat im Hirn

Der schrumpfende Vorrat an Nervenstammzellen im Hippocampus könnte für das altersbedingte Nachlassen von Hirnleistungen verantwortlich sein
Cold Spring Harbor (USA) - Mit dem Älterwerden verringert sich das Reservoir an Nervenstammzellen im Gehirn. Deshalb werden immer weniger neue Hirnzellen gebildet, so dass bestimmte Hirnleistungen nachlassen, berichten amerikanische Forscher. In Experimenten mit gentechnisch veränderten Mäusen konnten sie das Schicksal der Stammzellen in einem Teil des Gehirns über die gesamte Lebenszeit der Tiere verfolgen. Bei Lernprozessen oder der Regeneration von geschädigtem Gewebe teilen sich die zuvor ruhenden Stammzellen. Dann entwickeln sich zunächst Vorläuferzellen und daraus dann reife Hirnzellen. Im Gegensatz zu anderen Stammzelltypen des Körpers sorgen aber die Nervenstammzellen im Gehirn nicht dafür, dass ihr Vorrat immer konstant bleibt. Möglicherweise lässt sich das Schrumpfen des Stammzellreservoirs und das Nachlassen der Hirnleistung in Zukunft durch Wirkstoffe verhindern, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt "Cell Stem Cell" (doi: 10.1016/j.stem.2011.03.010).

"Dass die Produktion neuer Neuronen mit dem Alter abnimmt, ist bekannt. Aber warum das passiert, blieb bisher ungeklärt", sagt Grigori Enikolopov vom Cold Spring Harbor Laboratory, der Leiter des Forscherteams. Die vorherrschende Meinung war, dass der Vorrat an adulten Stammzellen im Gehirn gleich bleibt, aber die Zellen mit der Zeit die Fähigkeit verlieren, sich zu reifen Hirnzellen zu entwickeln. Das konnten die Forscher jetzt widerlegen, indem sie unterschiedliche Entwicklungsstadien der Hirnzellen durch eine Farbmarkierung sichtbar machten. Dazu hatten sie Mäuse genetisch so verändert, dass Stammzellen, Vorläuferzellen und reife Hirnzellen durch Fluoreszenzfarbstoffe markiert und im Mikroskop unterscheidbar waren.

Zwtl: Hirnstammzellen sorgen nicht für den Selbsterhalt

Auf diese Weise konnten sie beobachten, dass sich die Zahl der Nervenstammzellen in der Hirnregion des Hippocampus im Zeitraum von zwei Jahren – der normalen Lebensspanne einer Maus – auf ein Hundertstel verringerte. Je weiter die Stammzellzahl absank, desto mehr Nachkommen an reifen Hirnzellen gingen allerdings aus einer Stammzelle hervor. Das könnte eine Maßnahme sein, die dem Verlust an Stammzellen entgegenwirken soll, vermutet Enikolopov. Die Blutstammzellen im Knochenmark oder die Stammzellen im Darm erneuern sich in ausreichendem Maß selbst, so dass ihr Reservoir lebenslang gleich bleibt. Im Gegensatz dazu entstehen aus einer aktivierten Stammzelle im Gehirn durch Zellteilungen solange Vorläuferzellen und Neuronen, bis die Stammzelle schließlich ihre typischen Eigenschaften verliert und selbst zu einer Hirnzelle wird. "Das bedeutet, dass jede adulte Stammzelle im Gehirn nur einmal genutzt wird", sagt Enikolopov.

Ob eine sehr starke Neuproduktion von Hirnzellen eigentlich gut oder schlecht wäre – das käme darauf an, erklärt der Forscher: Wenn nach einer Hirnschädigung zahlreiche Stammzellen zur Regeneration benötigt werden, wäre das schlecht, weil sich das Stammzellreservoir dann stark verringern würde. Wenn aber durch natürliche oder künstliche Stimulation lediglich bereits vorhandene Vorläuferzellen beschleunigt zu reifen Hirnzellen werden, bliebe die Zahl der Stammzellen unverändert. Die Forscher glauben, dass Wirkstoffe, die diesen Prozess auslösen, die Hirnleistung verbessern könnten, ohne zu schaden.

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Quelle: "Division-Coupled Astrocytic Differentiation and Age-Related Depletion of Neural Stem Cells in the Adult Hippocampus", Juan M. Encinas et al.; Cell Stem Cell, Bd.8, S.566, doi: 10.1016/j.stem.2011.03.010


 

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