Huntington-Therapie: Vorübergehendes Abschalten eines Gens hat anhaltende Wirkung

Überraschende Ergebnisse in Tierversuchen geben Hoffnung auf neue Behandlungsform der noch unheilbaren Hirnkrankheit
San Diego (USA) - Ursache der Huntington-Krankheit ist ein mutiertes Gen. Der Defekt führt zu einem krankhaft veränderten Huntingtin-Protein, das Gehirnzellen abtötet. Durch eine neue Technik ist es amerikanischen Medizinern jetzt in Tierversuchen gelungen, das defekte Gen vorübergehend abzuschalten. Dazu injizierten sie erkrankten Mäusen kurze, einzelsträngige DNA-Stücke, sogenannte Oligonukleotide, in die Gehirnflüssigkeit. Die Moleküle blockierten die Huntingtin-Produktion in vielen Hirnteilen. Überraschenderweise verbesserte eine nur einmalige Behandlung die Krankheitssymptome schnell und anhaltend für mehrere Monate. Dieser Langzeiteffekt erhöhe die Chance für einen erfolgreichen Einsatz der Therapie beim Menschen, schreiben die Forscher im Fachblatt „Neuron“.

„Unser Ansatz ist eine geeignete Strategie, um nun eine Huntington-Therapie für Patienten zu entwickeln“, sagt der Leiter des Forscherteams Don Cleveland von der University of California in San Diego. Um das krankheitsauslösende Huntingtin-Gen in Hirnzellen abzuschalten, setzten die Wissenschaftler chemisch hergestellte Antisense-Oligonukleotide ein – kleine DNA-Moleküle aus 20 Nukleotidbausteinen, deren Abfolge einem Abschnitt des Huntingtin-Gens entsprach. Diese Moleküle lagerten sich durch Basenpaarung ausschließlich an die Boten-RNA, welche die Bauanleitung für das Huntingtin-Protein trägt. Das führt zum Abbau der Boten-RNA durch ein Enzym und verhindert so die Produktion des Proteins.

Die Forscher erprobten ihre Behandlung an unterschiedlichen Arten genetisch veränderter Mäuse, die aufgrund eines mutierten Huntingtin-Gens typische Krankheitssymptome zeigten. Sie injizierten ihre Oligonukleotide zwei Wochen lang täglich in eine mit Liquor gefüllte Hirnkammer der Tiere. Dadurch konnten die Moleküle in ganz verschiedenen Bereichen des Gehirns wirksam werden. Durch die Therapie sank die Huntingtin-Produktion in den Hirnzellen. Bereits innerhalb eines Monats verbesserten sich Bewegungsstörungen und Hirnleistungen der Mäuse. Nach zwei Monaten hatten sich die Bewegungen wieder völlig normalisiert. Die Genblockade hielt zwei bis drei Monate an. Besonders überraschend war, dass die Besserung der Symptome auch dann noch mindestens vier weitere Monate andauerte, nachdem die Huntingtin-Produktion wieder ihre Ausgangsaktivität erreicht hatte. Es könnte also möglich sein, sagt Cleveland, mit einer einzigen Behandlung gewissermaßen die Krankheitsuhr zurückzudrehen. Die Therapie stoppte auch den im weiteren Verlauf der Krankheit üblichen Verlust an Hirnmasse und verlängerte die Lebensdauer der Mäuse. Versuche mit Rhesusaffen zeigten, dass die Behandlungstechnik auch bei diesen Tieren die Huntingtin-Produktion in unterschiedlichen Hirnteilen effektiv hemmt.

Wie der lang anhaltende Therapieeffekt zustande kommt, ist noch nicht geklärt. Möglicherweise bewirkt die vorübergehende Genblockade den Abbau einer krankheitsrelevanten Substanz, die dann erst nach Monaten wieder im vorherigen Ausmaß vorliegt. Die Oligonukleotide schalten zwar nicht nur das mutierte sondern auch das normale Huntingtin-Gen ab. Bei Mäusen und Affen hatte dies jedoch keine erkennbaren negativen Auswirkungen. Durch die Auswahl anderer geeigneter Oligonukleotide wäre es wahrscheinlich auch möglich, die Therapie so zu verbessern, dass tatsächlich nur das defekte Gen blockiert wird. In klinischen Studien haben sich Oligonukleotide bei der Behandlung anderer Krankheiten bereits als sicher und gut verträglich erwiesen. Daher könnten erste Versuche mit Huntington-Patienten in absehbarer Zeit beginnen. Die Huntington-Krankheit, auch Chorea Huntington oder Veitstanz genannt, ist eine bisher unheilbare Erbkrankheit. Sie bricht meist zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr aus und äußert sich in Bewegungsstörungen, fortschreitender Demenz und psychischen Symptomen.

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Quelle: „Sustained therapeutic reversal of Huntington's disease by transient repression of huntingtin synthesis“, Holly B. Kordasiewicz et al.; Neuron, DOI: 10.1016/j.neuron.2012.05.009


 

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