Eunuchen zeigen mehr Ausdauer

Selbstkastrierung nach der Kopulation erhöht Fitness männlicher Spinnen bei der Abwehr von Rivalen
Singapur - Wenn sich Männchen kannibalischer Spinnen nach der Begattung selbst kastrieren, werden sie aggressiver bei der Abwehr von Rivalen. Eine Erklärung dafür haben Biologen aus Singapur jetzt gefunden. Demnach senkt der Verlust beider Genitalien das Körpergewicht beträchtlich, was die körperliche Fitness verbessert. Als Eunuchen sind die Spinnen erfolgreicher darin, das begattete Weibchen zu bewachen und andere Männchen von einer Kopulation mit „ihrem“ Weibchen abzuhalten, berichten die Forscher im Fachblatt „Biology Letters”.

„Frühere Arbeiten haben gezeigt, dass Eunuchen-Spinnen die besseren Kämpfer sind. Wir präsentieren hier einen Mechanismus, der den Eunuchen zu größerer Ausdauer verhilft“, schreiben Daiqin Li von der National University of Singapore und Kollegen. Den männlichen Radnetzspinnen Nephilengys malabarensis dient ein Gliedmaßenpaar am Kopf, die sogenannten Pedipalpen, als Begattungsorgan. Bei erfolgreicher Kopulation trennen sie den dazu eingesetzten Pedipalpus vom Körper ab und verschließen so die Geschlechtsöffnung des Weibchens. Aber nur jedes vierte Männchen kann sich danach in Sicherheit bringen, die anderen werden verspeist. Überlebende Halb-Eunuchen mit nur noch einem Genital oder Voll-Eunuchen, denen beide Pedipalpen fehlen, bleiben in sicherem Abstand in der Nähe des Weibchens: Indem sie andere Männchen vertreiben, sichern sie ihre Vaterschaft. Bei Kämpfen zwischen einem Eunuchen und einem unversehrten Rivalen bleiben die halb oder vollständig kastrierten Spinnen meist Sieger.

Die Forscher stellten zunächst fest, dass die beiden männlichen Genitalien einen vergleichsweise großen Anteil des Gesamtkörpergewichts ausmachen. Wurden beide Pedipalpen experimentell entfernt, sank das Gewicht um neun Prozent. Die körperliche Leistungsfähigkeit ermittelten die Biologen, indem sie die Spinnen durch Berührung zur Flucht antrieben, bis sie erschöpft waren. Im Vergleich zu unversehrten Tieren zeigten die Halb-Eunuchen eine um 32 Prozent, die Voll-Eunuchen eine um 80 Prozent erhöhte Ausdauer bei der Flucht. Diese Ergebnisse unterstützen eine Hypothese, wonach ein durch Selbstkastration verringertes Körpergewicht die Ausdauerleistung erhöht und damit dazu beiträgt, die biologische Fitness zu verbessern.

Das Verhalten der Spinnen ist die Konsequenz eines Dilemmas: Möglichst große Genitalien begünstigen zwar die Begattung, sind aber für die schnelle Fortbewegung – sei es im Kampf gegen Rivalen oder bei der Flucht vor dem kannibalischen Weibchen – eher hinderlich. Der Verlust der Pedipalpen nach der Kopulation könnte zusätzlich Veränderungen im Stoffwechsel auslösen, die erklären, warum sich die Aggressivität der Eunuchen verstärkt, schreiben die Forscher. Diese Vermutung müsse aber durch weitere Experimente noch bestätigt werden.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: „Emasculation: gloves-off strategy enhances eunuch spider endurance“, Qi Qi Lee et al.; Biology Letters, DOI: 10.1098/rsbl.2012.0285


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg