Einsteins Theorie mit der Armbanduhr messen

Zwei eng rotierende Weiße Zwerge strahlen starke Gravitationswellen ab und werden dadurch schneller: Bestätigung der Relativitätstheorie
Künstlerische Darstellung der beiden Weißen Zwerge im System J0651.
Künstlerische Darstellung der beiden Weißen Zwerge im System J0651.
© D. Berry / NASA GSFC
Austin (USA) - Sie sind besonders klein und schwer nachzuweisen, die Effekte der Einsteinschen Relativitätstheorie. Vor allem die sogenannte Gravitationsstrahlung ist üblicherweise extrem schwach. Doch dank zweier sich besonders eng umkreisender Weißer Zwerge konnten US-Astronomen nun die Wirkung der Gravitationsstrahlung sogar im Sekundenbereich messen. Weiße Zwerge sind kleine, ausgebrannte Sonnen am Ende ihrer Entwicklung. Im Sternensystem J0651 rotieren zwei solche Zwergsterne sehr eng umeinander. Nicht einmal 13 Minuten benötigen sie für einen Umlauf. Dabei erfahren die großen Massen der beiden Sterne enorme Beschleunigungen, was zu einer starken Abstrahlung von Gravitationswellen führt. Wie die Wissenschaftler in der kommenden Ausgabe der „Astrophysical Journal Letters“ berichten, kommen sich die beiden Sterne dadurch immer näher, wodurch sich ihre Umlaufgeschwindigkeit weiter erhöht. In circa zwei Millionen Jahren werden sie miteinander verschmelzen und eventuell in einer Supernova verglühen.

„Diese kompakten Sterne umkreisen einander so nah, dass wir den normalerweise vernachlässigbaren Einfluss der Gravitationswellen mit einer relativ einfachen Kamera auf einem 75 Jahre alten Teleskop beobachten konnten, und das über eine Messdauer von gerade einmal 13 Monaten“, so James Hermes vom McDonald-Observatorium in Austin, Texas. Die Umlaufzeit von knapp 13 Minuten verringert sich pro Jahr zwar nur um den knapp dreitausendsten Teil einer Sekunde. Dies liegt daran, dass der Effekt der Gravitationswellen außerordentlich schwach ist. Über die Vielzahl an Umläufen der beiden Zwergsterne summiert der Effekt sich seit Beginn der Messungen vor über einem Jahr aber mittlerweile auf ganze sechs Sekunden. Bis zum Ende der Messkampagne wird er voraussichtlich auf über 20 Sekunden anwachsen. „Dies ist ein Effekt von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie, den man mit einer Armbanduhr messen könnte“, freut sich Warren Brown vom Smithsonian Astrophysical Observatory.

Um möglichst genaue Daten zu erhalten, benutzten die Forscher nicht nur das alte Otto-Struve-Teleskop, sondern auch drei neue Teleskope an unterschiedlichen Standorten. Ihre Messungen bestätigen eindrucksvoll die Vorhersagen der Relativitätstheorie, derzufolge alle beschleunigten Massen Gravitationswellen abstrahlen. Den Effekt von Gravitationswellen konnten die Astronomen jetzt erstmals auch mit optischen Teleskopen nachweisen. Für die Entdeckung des Effekts mit Radioteleskopen an weiter entfernten Neutronensternen gab es 1993 bereits den Physik-Nobelpreis.

Das beobachtete Sternensystem ist mit einer Entfernung von rund 3000 Lichtjahren relativ nah und eignet sich vorzüglich zum Studium von Gravitationswellen. Der eine Weiße Zwerg besitzt halb so viel Masse wie unsere Sonne, der andere ein viertel. Das System gilt als zweitstärkste Quelle von Gravitationswellen in unserer Galaxie. Nur vier weitere Systeme sind bekannt, in denen sich zwei Himmelskörper in weniger als 15 Minuten umkreisen; all diese tauschen jedoch Material miteinander aus, wodurch der Effekt der Gravitationswellen kaschiert wird.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: „Rapid Orbital Decay in the 12.75-minute WD+WD Binary J0651+2844“, J. J. Hermes et al.; Astrophysical Journal Letters (in Druck)

http://arxiv.org/abs/1208.5051



 

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