Wie Schneeflocken rieseln

Eine Analyse der Geschwindigkeiten fallender Schneeflocken offenbart ein verblüffend einheitliches Verhalten
Mit diesem Gerät - einem Distrometer – lassen sich Schneeflocken im freien Fall verfolgen.
Mit diesem Gerät - einem Distrometer – lassen sich Schneeflocken im freien Fall verfolgen.
© Singh et al.
Salt Lake City (USA) - Groß und fluffig oder klein und kompakt – keine Schneeflocke gleicht einer anderen. Beim Fallen werden sie durch turbulente Winde verwirbelt und setzen sich mal schneller, mal langsamer am Boden ab. Das Verhalten fallender Schneeflocken haben nun amerikanische Wissenschaftler mit einem eigens entwickelten Experiment genauer untersucht. Zu ihrer Überraschung folgt die Beschleunigung aller Flocken einer verblüffend einheitlichen Regel. Ihre Analyse veröffentlichten die Forscher in der Fachzeitschrift „Physics of Fluids“.

Für ihre Messungen entwickelten Timothy Garrett und seine Kollegen von der University of Utah in Salt Lake City ein spezielles Distrometer. Diese Geräte werden in der Wetterkunde eingesetzt, um generell Menge und Art eines Niederschlags exakt zu bestimmen. Nun ergänzten die Forscher ihr Messgerät um je eine Kamera für Infrarotstrahlung und sichtbares Licht. Zusätzlich installierten sie ein Laser-System, das über Reflexionen grüner Laserpulse die Bewegung einzelner Schneeflocken verfolgen konnte. Schließlich ergänzten sie den Versuchsaufbau mit einem 3D-Windmesser, Thermometer und einem Hygrometer zu Bestimmung der relativen Luftfeuchte.

Mit diesem Distrometer reiste das Team um Garrett im Winter 2020/21 in eine schneereiche Bergregion des Bundesstaats Utah. Mehrere Wochen lang analysierten sie Schneeflocken, die durch einen Messbereich von der Größe eines halben Schuhkartons fielen. Insgesamt zeichneten sie die abhängig vom Wind mehr oder weniger turbulenten Flugbahnen von mehr als einer halben Million Schneeflocken auf, die stark in Größe und Form variierten. Aus diesen Daten betrachteten sie vor allem die Fallgeschwindigkeit, also die senkrechte Komponente aller Flockenflugbahnen.

Wie erwartet fielen Flocken umso schneller zu Boden je höher ihre Dichte war. Die Aufprallgeschwindigkeiten bewegten sich zwischen sechs Zentimetern bis zu mehr als drei Metern pro Sekunde. Je stärker der Wind blies, desto turbulenter und auch länger waren die Flugbahnen. Trotzdem zeigte sich bei der Analyse ein Gemeinsamkeit für alle Arten von Schneeflocken und Wetterbedingungen. So nahm die senkrechte Fallbeschleunigung aller Flocken unabhängig von Form und Größe exponentiell zu. Und das mit dem immer gleichen Exponenten von 1,5.

Eine Erklärung für diese verblüffende, offenbar grundsätzliche Regel haben die Forscher noch nicht. Doch vermuten sie einen Zusammenhang zwischen turbulenten Strömungen in höheren Luftschichten, in denen Schneeflocken nach und nach wachsen können, und den Turbulenzen knapp über dem Boden. Solche detaillierten Einblicke in den Schneefall könnten auch für Meteorologen bedeutsam sein. „Denn die Geschwindigkeit eines Niederschlags beeinflusst auch die Bewegung und Dauer von Stürmen und die Ausbreitung einer Wolkendecke“, sagt Garrett. Da selbst Regen in warmen Regionen häufig aus geschmolzenen Eiskristallen in höheren, kalten Luftschichten hervorgeht, könnten diese Analysen laut Garrett sogar zu besseren Wettervorhersagen oder verlässlicheren Sturmwarnungen führen.

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