Wie Pflanzen ihre Nektarproduktion vor Schadinsekten schützen

Insekten, die nektarbildendes Gewebe außerhalb der Blüten fressen wollen, werden durch große Mengen einer giftigen Aminosäure abgeschreckt
Die Ackerbohne ist nur eine von vielen Pflanzenarten, die auch außerhalb der Blüte Nektar produziert, um nützliche Insekten anzulocken.
Die Ackerbohne ist nur eine von vielen Pflanzenarten, die auch außerhalb der Blüte Nektar produziert, um nützliche Insekten anzulocken.
© Shutterstock, Bild 301799855
Zürich (Schweiz) - Viele Pflanzen produzieren Nektar nicht nur in den Blüten, sondern auch in speziellen Geweben anderer Pflanzenteile, den sogenannten extrafloralen Nektarien. Das dient dazu, auf indirekte Weise blattfressende Insekten abwehren. Denn durch den Zuckersaft werden räuberische Insekten wie Ameisen oder Wespen angelockt, die dann die Pflanze wie Bodyguards vor Schädlingen schützen. Es gibt jedoch Insekten, die nicht nur den Nektar trinken, sondern gleich das ganze Gewebe fressen, das den Nektar erzeugt, berichten schweizerische Biologen im Fachblatt „Proceedings of the Royal Society B”. Dagegen setzt die Pflanze chemische Abwehrstoffe ein. In Untersuchungen an Ackerbohnen fanden die Forscher im Bereich der Nektarien erhöhte Konzentrationen einer Aminosäure, die auf Insekten toxisch wirkt. Diese spezielle Schutzmaßnahme, die wahrscheinlich die meisten Insekten abschreckt, unterstreicht die wichtige Funktion der extrafloralen Nektarien.

„Wir konnten beobachten, dass mehrere Insektenarten ganz gezielt extraflorale Nektarien als Nahrung nutzen – darunter auch einige, die gar keine primär blattfressenden Insekten sind“, schreiben die Biologen um Consuelo De Moraes von der ETH Zürich. Pflanzen mit extrafloralen Nektarien an Blättern oder Sprossen sind weit verbreitet und kommen in mehr als hundert Pflanzenfamilien vor. Für ihre Experimente nutzten die Wissenschaftler Pflanzen der Ackerbohne (Vicia faba), deren dunkelviolett gefärbte Nektarien auf den paarigen kleinen Nebenblättern am Ansatz eines Blattstiels erkennbar sind. Die Forscher hatten zufällig bemerkt, dass bei den im Freien wachsenden Pflanzen die extrafloralen Nektarien häufig geschädigt oder völlig zerstört waren, während die benachbarten Blätter unversehrt blieben. Daher stellte sich die Frage, ob es Insekten gibt, die es speziell auf diese besonders nahrhaften Pflanzenteile abgesehen haben.

Acht Tage nach dem Aussetzen ins Freiland zeigten 23 Prozent der untersuchten Blattstiele von drei Wochen alten Bohnenpflanzen Fraßschäden. Bei mehr als der Hälfte davon fehlten die Nektarien ganz. Hauptursache dafür waren Grillen der Gattung Allonemobius und Raupen des Nachtfalters Spodoptera exigua. Chemische Analysen von Gewebeproben nicht geschädigter Pflanzen ergaben einen ungewöhnlich hohen Gehalt an der Aminosäure L-DOPA (L-3,4-Dihydroxyphenylalanin) in den Nektarien. Im direkt daran angrenzenden Gewebe war der L-DOPA-Spiegel sogar noch höher, während er weiter entfernt wieder abnahm. Der Nektar selbst enthielt nur geringe Spuren der Aminosäure. Fütterungsexperimente mit Raupen demonstrierten die giftige Wirkung von L-DOPA: Bei Konzentrationen, die denen in den Nektarien entsprachen, verringerte sich die Gewichtszunahme im Vergleich zu Kontrolltieren. Außerdem wurde die normale Entwicklung zur Puppe gehemmt.

Obwohl der L-DOPA-Gehalt im Bereich der Nektarien keinen vollständigen Schutz vor Insektenfraß gewährt, könnte er größere Schäden verhindern, indem empfindliche Insekten sofort abgeschreckt werden, vermuten die Forscher. Für diejenigen, die sich nicht abhalten lassen, könnte der Nutzen der protein- und zuckerreichen Nahrung höher sein als der Schaden durch L-DOPA. Dass die Pflanze ihre extrafloralen Nektarien durch verstärkte L-DOPA-Produktion besonders schützt, zeige nach Ansicht der Biologen die große Bedeutung dieser Nektarien für ihr Überleben. Auf welche Weise die toxische Aminosäure wirkt, ist noch nicht bekannt. Da sie in ihrer chemischen Struktur der Aminosäure Tyrosin ähnelt, könnte sie wichtige Funktionen von Tyrosin im Stoffwechsel der Insekten blockieren.

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