Predigtfragment von Meister Eckhart identifiziert

Ein Pergamentblatt aus dem 14. Jahrhundert, bisher nur als "Bruchstück aus einem mystischen Traktat" bekannt, konnte jetzt als ältestes Fragment einer Predigt des mittelalterlichen Theologen Meister Eckhart identifiziert werden
Predigt von Meister Eckhart auf Pergament, niedergelegt von einem unbekannten Schreiber
Predigt von Meister Eckhart auf Pergament, niedergelegt von einem unbekannten Schreiber
© Uni Göttingen
Göttingen - Ein beidseitig beschriebenes Pergamentblatt aus dem 14. Jahrhundert konnte jetzt als ältestes Predigtfragment des Theologen und Philosophen Meister Eckhart (um 1260 bis 1328) identifiziert werden. Meister Eckhart hat dieses Pergamentblatt nicht selbst beschrieben, aber könnte es in der Hand gehabt haben, weil er den heute unbekannten Schreiber gekannt haben mag - es war ein Zeitgenosse von Meister Eckhart. Die Erkenntnis, worum es sich bei dem Textfragment handelte, gewann eine deutsche Handschriftenforscherin, weil sie im Internet auf den digitalisierten Text zurückgreifen und ihn mit diesem Fragment vergleichen konnte.

Das Fragment befand sich in der Forschungs- und Lehrsammlung des 1802 gegründeten Diplomatischen Apparates der Universität Göttingen, wo die Handschriftenforscherin Gisela Kornrumpf das Dokument fand. In diesem Diplomatischen Apparat liegen mehr als tausend Urkunden, Handschriften, Fragmente und Siegel. Wie und wann das Bruchstück aus der Predigt Meister Eckharts nach Göttingen gelangte, ist noch nicht zweifelsfrei geklärt. Immerhin kümmerte sich Eckhart als Vikar des Dominikanerordens in Thüringen ab 1296 auch um den Göttinger Konvent.

Das Fragment enthält die ersten zwei Drittel der deutschsprachigen Predigt zum ersten Johannes-Brief (1 Joh. 4,9). Laut Meister Eckhart veredelt die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus das gesamte Menschengeschlecht. Diese Veredelung muss sich in einem reinen Herzen und in der Gleichrangigkeit von Gottes Freunden und ihm Fernstehenden widerspiegeln. Der Prediger fordert seine Zuhörer auf, ihren Willen aufzugeben und gelassen zu sein. Sie sollten Werke 'ohne Warum' vollbringen - "sunder warumme", wie es im Göttinger Text heißt.

Bekannt geworden ist Meister Eckhart unter anderem durch seine radikalen Auffassungen zur geistlichen und geistigen Armut. Äußerliche Frömmigkeitsrituale als Beweis für geistige Armut lehnte Eckhart ab. Man sollte wirklich von sich selbst ganz absehen, dann würde sich Gott einem besonders zuwenden. Dann würde einem das Göttliche offenbar werden. Das war nicht ganz das, was die Kirche von ihrem Dominikanerprediger hören wollte. In den Augen mancher Kirchenfürsten war er brandgefährlich. Auf Betreiben des Kölner Erzbischofs wurde 1326 das Inquisitionsverfahren gegen ihn eröffnet. 1329 wurde er als Ketzer verurteilt, was er allerdings nicht mehr erleben musste, da er ein Jahr zuvor gestorben war.

Universität Göttingen
Quelle: Universität Göttingen


 

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