In Rekordzeit: Ultraschneller Phasenübergang bei Graphit

Innerhalb von 40 Femtosekunden wechselt erwärmtes Material unter Röntgenstrahlung zwischen drei Aggregatszuständen bis zum Plasma
Der ultraschnelle Zerfall von Materie unter Röntgenblitzen des LCLS-Lasers mit einer Energie von 2 keV Energie.
Der ultraschnelle Zerfall von Materie unter Röntgenblitzen des LCLS-Lasers mit einer Energie von 2 keV Energie.
© CC: DOE/Lawrence Livermore National Laboratory
Livermore (USA) - Erst Schmelzen, dann zum Gas werden: Für diesen Durchmarsch durch die Aggregatzustände brauchte eine Graphitprobe nur 40 Milliardstel Mikrosekunden. Die neue Rekordzeit für ein Mineral überraschte auch die Forscher, die das Graphit mit Röntgenlasern beschossen hatten. Deutlich schneller als in der Theorie erfolgte die Umwandlung von einem Festkörper in eine Flüssigkeit und dann in ein dichtes Plasma, in dem die in Ionen und Elektronen aufgespaltenen Atome ein Gas bilden. Solche ultraschnellen doppelten Phasenübergänge sind nicht nur für Grundlagenforscher spannend, berichtet das amerikanisch-deutsche Team im Fachblatt „Physical Review Letters“. Sie bringen auch die Materialforschung, die Hochgeschwindigkeitsbildgebung oder auch die Hochenergiephysik voran.

„Wir stellten fest, dass das Erhitzen und der Zerfall des Ionengitters viel schneller vor sich geht als erwartet“, berichtet Stefan Hau-Riege vom US-staatlichen Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL). Nur 40 Femtosekunden, ein Sekundenbruchteil mit 15 Nachkommastellen, dauerte der Übergang von fest über flüssig bis zum Plasma. Hau-Rieges Team nutzte zum Bestrahlen des Graphits einen spezialisierten Laser: den Freie-Elektronen-Laser im Röntgenbereich (XFEL) der Linac Coherent Light Source (LCLS) am Nationalen Beschleunigerlabor SLAC in Stanford. Nicht-elastische Röntgenstreuung diente in dieser Art von Experiment erstmals zur Plasma-Diagnose. Durch Variieren der Laserpuls-Länge und Berechnen unterschiedlicher Spektren ließ sich unter anderem die Zeitabhängigkeit verschiedener Plasma-Parameter bestimmen – etwa der Ionisationszustände und der Temperatur von Elektronen und Ionen. Beteiligt waren auch Forscher der Universität Duisburg-Essen, der Max Planck Advanced Study Group (ASG) am Hamburger Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) und der Max Planck Institute für medizinische Forschung und für Kernphysik.

Die Ergebnisse gelten als Durchbruch in der Plasmaphysik und der Physik ultraschneller Materialien. Sie liefern neue Erkenntnisse zum Verhalten von Materie unter harter Röntgenstrahlung. Doch auch anderen Bereichen bringen sie Neues: etwa bei der Röntgenoptik, so die Forscher, oder bei der Bildgebung einzelner Moleküle in lebenden Organismen, die wegen des überraschend schnellen Energietransfers in bestimmten Fällen schwieriger sein dürfte als erwartet.

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Quelle: LNLL, Physics Review Letters


 

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