Zwei Sprachen - zwei Gehirnregionen?
Bis heute ist nicht sicher geklärt, wie zwei oder mehr Sprachen, die ein Mensch im Laufe seines Lebens lernt, im Gehirn verarbeitet werden. Eine Annäherung liefert jetzt die Studie mit einem arabisch-hebräisch-sprachigen Mann, der durch eine Herpes-Enzephalitis-Erkrankung eine nachhaltige Gehirnschädigung erlitt und das Sprechen wieder neu lernen musste. Der 41-jährige Mann hatte Arabisch als Muttersprache und sprach vor seiner Erkrankung überdies Hebräisch, das er seit der vierten Grundschulklasse gelernt hat, mit quasi-muttersprachlicher Kompetenz.
Beim Vergleich der Sprachen, die beide zur semitischen Sprachfamilie gehören, zeigte sich, dass der Mann beim Wiederlernen seiner Muttersprache Arabisch sehr schnell Fortschritte machte. Seine Hebräisch-Fähigkeiten blieben deutlich dahinter zurück. "Die Untersuchung solcher Fälle hat große Bedeutung", erklärt Raphiq Ibrahim von der Universität Haifa, der den Fall des Mannes beschrieben hat. "Es ist selten, dass man Menschen findet, die zwei Sprachen fließend sprechen und später eine nachhaltige Hirnschädigung erfahren, von der eine Sprache mehr betroffen ist als die andere. Außerdem stammen die meisten klinischen Beispiele aus diesem Bereich von Patienten, die Englisch und eine weitere indoeuropäische Sprache sprechen. Nur wenige Studien wurden bisher an Sprechern anderer Sprachen wie Arabisch und Hebräisch durchgeführt." Obgleich der Forscher von diesem einzelnen Fall noch kein ganzes Modell zur Repräsentation von zwei und mehr Sprachen im Gehirn ableiten möchte, sieht er den Fall dieses Arabisch und Hebräisch sprechenden Mannes als einen wichtigen Schritt für die Betrachtung der Verarbeitung von zwei nahe verwandten Sprachen im Gehirn.