Zum Angriff: Spottdrosseln erkennen einzelnen Menschen wieder

Die Vögel merken sich außerordentlich gut, wer ihrem Nest einmal unerwünscht nahe gekommen ist und attackieren den ungebetenen Gast gnadenlos
Aus dem Sturzflug touchieren Spottdrosseln unliebsame Besucher
Aus dem Sturzflug touchieren Spottdrosseln unliebsame Besucher
© Department of Biology, University of Florida
Gainesville (USA) - Vögel: Sie beobachten Dich, sie erkennen Dich wieder - und sie greifen Dich an. Was anmutet wie eine Szene aus Hitchcocks "Die Vögel", ist keine Fiktion, sondern zumindest bei Spottdrosseln wissenschaftlich erwiesene Realität. Die Singvögel erkennen in der Tat Menschen wieder, die ihren Nestern einmal unangenehm nah gekommen sind. Sie empfinden solch ungebetene Gäste beim Wiedersehen als Bedrohung, kreischen sie an, attackieren und touchieren sie im Sturzflug. Fremde dagegen lassen sie in Ruhe. Die Vögel sind also offensichtlich in der Lage, einen einzelnen Passanten von einer Vielzahl anderer zu unterscheiden, berichten amerikanische Biologen im Fachblatt "Proceedings of the National Academy of Sciences". Beobachtet hatten sie dieses Verhalten haben auf einem Campus in Florida.

"Eine Begegnung von 60 Sekunden war alles, was notwendig war, damit Spottdrosseln lernten, unterschiedliche Individuen zu identifizieren und sie aus all den anderen Studenten herauszupicken", erläutert Doug Levey von der University of Florida in Gainesville. "Wir neigen dazu, alle Spottdrosseln als gleich zu betrachten, doch diese Empfindung beruht nicht auf Gegenseitigkeit. Spottdrosseln nehmen Menschen gewiss nicht als gleich wahr." Auf dem Campus der Universität hatten Levey und seine Kollegen bei Spottdrosseln (Mimus polyglottos) beobachtet, wie die Singvögel in der Brutzeit auf provokante Studentenbesuche reagieren. Die freiwilligen Studenten sollten zu den Brutstätten gehen, vorsichtig durch die Blätter greifen, die Nester sachte berühren und sich dann wieder zurückziehen. Diese Besuche wiederholten sie vier Tage lang. Am fünften Tag ging dann ein anderer Freiwilliger zum Nest.

Die Spottdrosseln reagierten immer früher auf den unliebsamen Gast, je häufiger dieser zu Besuch gekommen war, beobachteten die Biologen: Am dritten und vierten Tag stoben sie weit schneller von ihrem Nest auf, jedes Mal wenn der immer vertrautere Student sich näherte. Sie gaben mehr Alarmrufe ab, und flogen ihn immer aggressiver an. Auch wenn der Besucher einen anderen Weg zum Nest nahm oder andere Kleidung trug, irritierte das die Vögel nicht. Besonders angriffslustige Exemplare touchierten sogar den Kopf des Probanden, zwar nicht wirklich gefährlich, aber doch sehr unangenehm. Den fremden Besucher am fünften Tag hingegen gingen die Spottdrosseln weit sanfter an, zeterten weniger, beschränkten sich zunächst darauf, das Gefieder zu sträuben, und griffen wirklich erst im letzten Moment an.

Die Beobachtungen zeigen eindeutig, dass wilde Tiere in ihrer natürlichen Umgebung in der Lage sein können, Individuen einer anderen Art wieder zu erkennen. Auf einem Campus mit mehr als 50.000 Studenten kommen die Vögel tagtäglich in die nähere Reichweite einer Vielzahl unterschiedlicher Leute. Diese Fähigkeit der Spottdrosseln könnte möglicherweise erklären, warum sie in der Lage sind, sich so gut an eine städtische Umgebung anzupassen, während andere Arten das nicht sind. "Wir glauben nicht, dass Spottdrosseln eine Fähigkeit entwickelt haben, zwischen Menschen zu unterscheiden. Dazu leben beide noch nicht lange genug eng beieinander", erläutert Levey. "Wir denken stattdessen, dass unsere Experimente eine dem zugrunde liegende Fähigkeit enthüllen, unglaublich scharfsichtig für alles um sie herum zu sein und entsprechen zu reagieren, wenn das Risiko hoch ist."

(c) Wissenschaft aktuell
Quelle: "Urban mockingbirds quickly learn to identify individual humans", Douglas J. Leveya et al.; Proceedings of the National Academy of Sciences (Online Early Edition, doi/10.1073/pnas.0811422106)


 

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