Zeitlose Rentiere
Die täglichen Hell-Dunkel-Zyklen treiben auch Hormonrhythmen an. Dies geschieht über komplexe Wirkmechanismen, an denen Informationen über die Lichtintensität vom Auge über das Nervensystem an spezielle hormonelle Regelmechanismen weitergeleitet werden. Bei den meisten Säugern gehört dazu auch eine innere Uhr, die Hormonkonzentrationen in einem 24-Stunden-Rhythmus steuert - selbst, wenn es keinen Hell-Dunkel-Zyklus gibt. "Bei Rentieren scheint diese Uhr zu fehlen", erklärt Andrew Loudon von der University of Manchester. Stattdessen steigen und sinken die Hormonkonzentrationen als direkte Reaktion auf Licht und Dunkelheit.
Loudon und seine Kollegen hatten bei Rentieren zeigen können, dass der Rhythmus von Melatonin zwar hochgradig empfänglich für Hell-Dunkel-Zyklen ist, aber keinem Tagesrhythmus folgt. Während der Tageslichtstunden bleiben die Melatoninwerte der Tiere extrem niedrig. Die Hormonkonzentrationen steigen beinahe schlagartig an, sobald das Licht ausgeht und sinken wieder, wenn es erneut hell wird. Auch zwei bekannte Schlüsselgene, die mit der inneren Uhr in Zusammenhang gebracht werden und die die Biologen in Bindegewebszellen untersuchten, weisen ihren Beobachtungen zufolge wenig bis gar keine tagesrhythmische Aktivität auf. "Wir vermuten, dass sie zwar die ganze Bandbreite normaler Uhren-Gene besitzen, aber dass diese bei Rentieren auf eine andere Art reguliert werden", sagt Loudon.