Zebrafinken: Stress ist ansteckend

Stresserfahrung als Jungvogel verkürzt nicht nur dessen eigenes Leben, sondern auch das des späteren Brutpartners
Glasgow (Großbritannien) - Bereits eine kurze Stressphase in den ersten Lebenswochen hat gravierende Folgen für das ganze Leben eines Zebrafinken: Nicht nur für den Vogel selbst, auch für seinen späteren Brutpartner sinkt die Lebenserwartung deutlich, berichten britische Biologen. Demnach setzt ein kurz nach dem Schlüpfen einige Tage erhöhter Spiegel an Stresshormonen die spätere Stresstoleranz herab. Die Konsequenzen sind häufigere und länger anhaltende Stressreaktionen, die den Körper schädigen und für einen vorzeitigen Tod verantwortlich sein könnten. Auf welche Weise sich diese Stressauswirkung auch auf den Brutpartner überträgt, ist noch nicht geklärt, schreiben die Forscher in den "Proceedings of the Royal Society B".

Nahrungsmangel ist ein Beispiel für einen natürlichen Stressauslöser, von dem Nestlinge betroffen sein können. Es ist bekannt, dass die Vögel dann später Schwierigkeiten haben, einen Brutpartner zu finden. Eine Erklärung dafür liefern nun die Ergebnisse der Experimente von Pat Monaghan und seinem Team an der University of Glasgow: Indem normale Vögel eine Partnerschaft mit stressgeschädigten Vögeln meiden, schützen sie sich selbst vor negativen Folgen.

Die Forscher verabreichten Zebrafinken zwischen dem 12. und 28. Tag nach dem Schlüpfen zweimal täglich das für die Vögel wichtigste Stresshormon Corticosteron. Dadurch stieg der Hormonspiegel im Blut jeweils auf das Dreifache an, um nach zwei Stunden wieder auf den Normalwert abzusinken. Die experimentell erzeugten Hormonwerte entsprachen etwa denen, die auch durch natürliche Stressauslöser erreicht werden können. Als Vergleich dienten gleich alte Vögel, die ein Placebo erhielten. Wie bei Säugetieren auch, führt bei Vögeln erhöhter Stress in einer frühen Lebensphase dazu, dass sie später stärker und länger auf erneuten Stress reagieren.

Alle Vögel, die simulierten Stress erlitten hatten, starben früher als die Kontrolltiere. Die in Käfigen gehaltenen Versuchstiere bildeten im zweiten Lebensjahr Brutpaare mit ausgewählten Partnern. Bei einer Brutgemeinschaft mit einem Stress-Vogel, verkürzte sich auch die Lebensdauer eines Kontroll-Vogels. Nach drei Jahren waren von den Paaren, die nur aus Kontroll-Vögeln bestanden, lediglich 5 Prozent gestorben. Hatten dagegen zwei Stress-Vögel eine Partnerschaft gebildet, starben davon in dieser Zeit 40 Prozent. Der negative Effekt auf die Lebenserwartung, den ein Stress-Vogel auf seinen Partner hatte, blieb selbst dann bestehen, wenn die Partnerschaft vorzeitig beendet wurde. Das Geschlecht eines Vogels beeinflusste die Ergebnisse der Versuche nicht. Der Fortpflanzungserfolg innerhalb eines Jahres war bei den unterschiedlichen Paarungen gleich, das heißt die Stresserfahrung wirkte sich nicht auf die Fruchtbarkeit aus.

Dass auch die Partner der Stress-Vögel vorzeitig sterben, hat wahrscheinlich komplexe Ursachen, schreiben die Forscher. So könnte das Zusammenleben mit einem oft gestressten Partner auch den eigenen Spiegel an Stresshormonen des Öfteren ansteigen lassen. In einer solchen Beziehung wäre die normalerweise beruhigende, Stress lindernde Wirkung eines vertrauten Partners weniger ausgeprägt. Es sei daher anzunehmen, so die Autoren, dass beide Geschlechter im Lauf der Evolution gelernt haben, eine Verbindung mit einem stressbelasteten Partner zu vermeiden.

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Quelle: "For better or worse: reduced adult lifespan following early-life stress is transmitted to breeding partners", Pat Monaghan et al.; Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, doi: 10.1098/rspb.2011.1291


 

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