Wo sind höhere Deiche sinnvoll?
Die Forscher um Michalis I. Vousdoukas vom EU-Joint Research Center in Ispra am Lago Maggiore untersuchten die Flutrisiken entlang aller Küsten der Europäischen Union. Dabei betrachteten sie die extremen Pegelstände, die bei Sturmfluten auftreten könnten, für zwei Klimawandel-Szenarien: Gelingt es mit einer starken Drosselung der CO2-Emissionen, die CO2-Konzentration in der Atmosphäre von heute knapp 410 ppm (CO2-Anteile pro Million) auf maximal 650 ppm bis 2100 zu begrenzen, ist mit bis zu 76 Zentimeter höheren Flutpegeln zu rechnen. Ohne jede Drosselung dagegen steigt die CO2-Konzentration auf mehr als 1370 ppm bis 2100 an mit bis zu 172 Zentimeter höheren Flutpegeln.
Von dieser Entwicklung wären von Norwegen bis Belgien die Anrainer der Nordsee am stärksten betroffen. Wegen milderer Stürme müsste an den Atlantikküsten von Spanien und Portugal und entlang der Mittelmeerküsten mit etwas geringeren Flutschäden gerechnet werden. Auch im Ostseeraum sehen die Forscher ein kleineres Sturmflutrisiko trotz steigender Pegelstände. Besonders glimpflich kämen Finnland und Schweden entlang ihrer nördlichen Ostseeküsten davon, da sich hier die skandinavische Landmasse nach dem Abschmelzen der Gletscher der letzten Eiszeit noch immer um etwa ein Zentimeter pro Jahr hebt.
Auf der Basis dieser Szenarien berechneten Vousdoukas und Kollegen, an welchen Küsten sich ein intensiver und teurer Deichbau lohnen könnte. Kaum überraschend zeigen stark besiedelte Küstenregionen ein besonders positives Kosten-Nutzen-Verhältnis. Hier könnten Deiche trotz hoher Baukosten ein Vielfaches an Werten schützen. So lohnt sich der Deichbau vor allem in Belgien, Frankreich und Italien, gefolgt von den Niederlanden, Zypern und Irland. Auf Malta und an den Küsten der baltischen Staaten, Bulgariens und Kroatiens dagegen lägen die Baukosten über den vermiedenen Folgekosten der Fluten.