Wissenschaftlich erfasst: Langeweile im Nerz-Käfig

Biologen untersuchen erstmals systematisch Anzeichen von Langeweile bei Tieren in Gefangenschaft
Ohne Abwechslung scheinen Nerze gelangweilt.
Ohne Abwechslung scheinen Nerze gelangweilt.
© Rebecca Meagher
Guelph (Kanada) - Gelangweilte Nerze lassen sich ihren Verdruss deutlich anmerken: Sie naschen häufiger zwischen den Hauptmahlzeiten und liegen länger wach, aber träge herum als Artgenossen mit mehr Abwechslung. Außerdem stürzen sie sich mit vehementer Begeisterung auf jegliche angebotene Beschäftigungsmöglichkeit, um der Langeweile zu entfliehen. Das haben zwei kanadische Biologinnen bei den zierlichen Fleischfressern beobachtet, wie sie im Fachblatt „PLoS ONE“ berichten. Es ist lange bekannt, dass Tiere in kahlen, abwechslungsarmen Käfigen mitunter ein Verhalten an den Tag legen, das als Langeweile oder gar Depression und Lustlosigkeit interpretiert werden kann. Die beiden Biologinnen haben diese Zusammenhänge nun erstmals systematisch erforscht. Die Ergebnisse ihrer Studie sind ein erster Schritt, um objektive Maßstäbe zu setzen für das Einschätzen und die Definition von Langeweile bei Tieren in Gefangenschaft. Die Verhaltensversuche bestätigen auch, dass schon eine abwechslungsreiche Umgebung ein einfaches Mittel gegen die Eintönigkeit ist.

„Vorstellungen darüber, wie man Langeweile bei Tieren wissenschaftlich erfassen könnte, sind bereits zuvor aufgekommen“, erläutert Rebecca K. Meagher von der University of Guelph. „Aber dies ist wirklich das allererste Mal, dass es auch jemand gemacht hat.“ Gemeinsam mit ihrer Arbeitsgruppenleiterin Georgia J. Mason hatte Meagher das Verhalten von insgesamt 29 jungen Nerzen beobachtet. Dabei waren 16 der kleinen Raubtiere in einem kleinen, schlichten Käfig untergebracht. Die anderen 13 lebten in einer abwechslungsreichen Umgebung mit vielen Beschäftigungsmöglichkeiten – darunter Wasserläufe, Gänge zum Rennen, Kletterbäume und Objekte zum Kauen und Spielen. Die Biologinnen beobachteten die Nerze nicht nur, sondern testeten auch deren Reaktionen auf unterschiedliche Reize. Davon waren einige neutral, wie etwa eine Duftkerze, andere anziehend, wie das Animieren zum Jagen mit einer bewegten Zahnbürste. Wieder andere wirkten für gewöhnlich abschreckend, wie beispielsweise ein Luftstoß.

Die Forscher stellten fest: Nerze, die in einfachen Käfigen lebten, suchten gierig nach jeglicher Abwechslung. Dabei waren sie dreimal schneller als ihre Artgenossen aus Käfigen mit reichem Angebot an Beschäftigung und untersuchten die angebotenen Dinge auch deutlich länger. Die Tiere näherten sich sogar mit großem Interesse Reizen, die sie für gewöhnlich als wenig angenehm empfinden. Dieses Verhalten deuten die Biologen als ein deutliches Anzeichen von Langeweile. Wären die Tiere dagegen apathisch oder sogar freudlos und depressiv, würden sie dieses Interesse nicht zeigen.

Ohne dargebotene Reize lagen Nerze in kahlen Käfigen außerdem deutlich länger wach, aber phlegmatisch herum. Diejenigen Tiere, bei denen dieses untätige Wachliegen am stärksten ausgeprägt war, suchten auch besonders vehement nach Zerstreuung. Die Unterbeschäftigten fraßen auch eher aus Langeweile – sie verputzten häufiger Leckerbissen, obwohl sie gar nicht hungrig waren. „Wir wissen nicht, ob sich Nerze oder andere Tiere tatsächlich genauso langweilen wie Menschen“, sagt Meagher. „Diese Art subjektiver Erfahrung können wir nicht messen. Aber wir können sehen, dass sie, wenn sie sehr wenig zu tun haben, wie viele gelangweilte Menschen lustlos aussehen, und, wenn sie die Chance haben, eifrig nach jeglicher Form von Beschäftigung suchen.“

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