Wie Schnell-Tentakeln die fleischfressende Pflanze füttern
„Wir zeigen, dass Drosera glanduligera einen ausgeklügelten Katapultmechanismus besitzt“, schreibt das Team um Thomas Speck von der Gruppe Pflanzenbiomechanik der Universität Freiburg. „Solche ‚aktiven’ Fangmechanismen bei fleischfressenden Pflanzen haben seit Charles Darwins frühen Arbeiten die Wissenschaftler besonders fasziniert, weil Klappbewegungen beteiligt sind“, Gemeinsam mit einem privaten Zuchtexperten solcher Pflanzen, Siegfried Hartmeyer, hatten die Forscher das Verhalten des besonderen Sonnentaus gefilmt, biophysikalisch analysiert sowie die Zellstruktur der nicht klebrigen Schnelltentakeln untersucht.
„Diese trockenen Fangarme sind durchaus fähig, Ameisen in die Mitte der Falle zu schleudern“, beschrieb schon 1974 der Biologe Richard (Tilbrooke) Davion, der das unerwartete Verhalten der in Südaustralien weit verbreiteten einjährigen Pflanze erstmals wissenschaftlich darstellte. Die löffelförmigen Blätter der Sonnentau-Art sind an ihrer Oberfläche mit Klebtentakeln bestückt, welche Insekten festhalten und langsam in Richtung der mittigen Verdauungsöffnung ziehen. Rund um den Blattrand herum liegen wie Sonnenstrahlen zusätzlich bis zu 18 flache, lange Schnapp- oder Schnelltentakeln aus. Im Schnitt sind sie nur sechs Millimeter lang, eine berührungsempfindliche Drüse an ihrer Spitze registriert äußeren Reiz. Nach nur 400 Millisekunden reagiert das untere Ende des Tentakels: Er schnappt zu einem Halbkreis zusammen, bis sich das lange Ende – samt Beute – rund 75 Millisekunden später in einem Kreisbogen in die Mitte des Fangblattes bewegt hat.
Allerdings beruht der Schnappmechanism nicht, wie bei manch anderer Pflanze, auf einer rein mechanischen Vorspannung, die sich bei Berührung löst. Vielmehr beobachtete das Team, dass das Schnappen auch deutlich langsamer ablaufen kann. Das deutet darauf hin, dass der körperliche Zustand der Pflanze wichtig ist, ebenso wie Umweltfaktoren: An sehr heißen Tagen scheint der Mechnanismus am schnellsten abzulaufen. Unter dem Rasterelektronenmikroskop zeigte sich, dass die Zellen auf der Innenseite der späteren Krümmung größer sind als jene an der Außenseite. Nach dem Schnappen ist ein Teil der inneren Zellen durch Knicken zerstört, so dass jede Tentakel die Bewegung nur einmal ausführen kann.
Speck und Kollegen halten nach Bewegungsanalysen eine hydraulische Erklärung für wahrscheinlich: Bei Berührung kommt es zu einem blitzartigen Wassertransport von inneren zu äußeren Zellen, so dass sich die innere Seite zusammenzieht und die äußere ausdehnt. Dass der Schnelltentakel danach zerstört ist, kompensiert der Sonnentau durch schnelles Nachwachsen. In seiner Wachstumsphase von nur vier Monaten entwickelt er alle drei bis vier Tage neue Blätter. Insgesamt erhöht der Schnappmechanismus die Beutequote der Pflanze: Die Tentakeln erweitern nicht nur die Fangfläche des Blattes, sondern können die Beute auch vor tierischen Beutedieben schützen sowie Insekten wieder einfangen und niederdrücken, die sich eventuell aus den Klebetentakeln befreit haben.