Wie Schleim Bakterien abwehrt

Die Schleimhäute produzieren Substanzen, die Bakterien beweglicher machen und so ihr Anheften verhindern
Zellen der Magenschleimhaut produzieren Schleim (rosa gefärbt)
Zellen der Magenschleimhaut produzieren Schleim (rosa gefärbt)
© Jason Underwood, PLoS Biology, http://dx.doi.org/10.1371/journal.pbio.0040307 / Creative Commons (CC BY 2.5), http://creativecommons.org/licenses/by/2.5/deed.de
Cambridge (USA) - Schleimhautzellen von Darm und Atemwegen produzieren Schleim, der unter anderem schädliche Bakterien abwehren soll. Das geschieht aber nicht einfach dadurch, dass die Mikroben in ihrer Fortbewegung eingeschränkt werden, berichten amerikanische Biologen. Vielmehr verstärken Mucine, ein Hauptbestandteil des Schleims, deren Beweglichkeit noch und erschweren dadurch das Anheften der Keime auf der Schleimhaut in Form eines Biofilms. Medikamente mit gleicher Wirkung könnten helfen, resistente Infektionen zu verhindern, die auf bakteriellen Biofilmen beruhen. Da solche Medikamente keine Bakterien abtöten, wäre eine Resistenzentwicklung unwahrscheinlich und im Gegensatz zu einem Einsatz von Antibiotika blieben nützliche Mikroben verschont, schreiben die Forscher im Fachblatt „Current Biology“.

„Es ist wie bei Kindern, die sich in getrennten Zimmern aufhalten müssen: Dann können sie weniger Unfug treiben“, sagt Katharina Ribbeck vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, die Leiterin des Forscherteams. „Mucine können die Virulenz unterdrücken, indem sie dafür sorgen, dass Bakterien als Einzelzellen vorliegen.“ Die Schleimhäute von Darm und Atemwegen sind einem ständigen, direkten Kontakt mit Bakterien ausgesetzt. Durch die Schleimproduktion bilden sie nicht nur eine Barriere gegen das Eindringen der Mikroben in den Körper. Sie verhindern auch eine dauerhafte oberflächliche Besiedlung in einem von den Bakterien selbst produzierten Biofilm. Eingebettet in einer solchen bakteriellen Schleimschicht wären die Mikroben vor Antibiotika und der Immunabwehr geschützt.

In Laborexperimenten simulierten die Forscher, wie der Schleim von Schleimhäuten die Bildung eines Biofilms von Pseudomonas aeruginosa-Bakterien beeinflusst. Diese Mikroben schwimmen zunächst als Einzelzellen in der Nährlösung, indem sie sich mit Hilfe ihrer Geißeln fortbewegen. Aber mit der Zeit bilden sich Zellaggregate, die sich dann an festen Oberflächen ablagern. Das Ausmaß der Ablagerung verringerte sich stark durch Zugabe eines Mucins aus der Magenschleimhaut von Schweinen, das auch im Schleim der Atemwege vorkommt. Mucine sind Glykoproteine, also Eiweißverbindungen mit Seitenketten aus Zuckermolekülen, die in gelöster Form mehr oder weniger viskose Gele bilden. Sechs Stunden nach Mucinzugabe blieben 90 Prozent der Pseudomonaden schwimmend in der Nährlösung verteilt, ohne Mucin waren es nur 50 bis 60 Prozent. Andere Substanzen, die lediglich die Viskosität erhöhen, hatten diesen Effekt nicht. Das Mucin sorgte dafür, dass die Bakterien beweglich blieben, sich nicht mehr zu großen Zellflocken zusammenlagerten und weniger Biofilme bilden konnten. Auch bei E. coli-Bakterien stellten die Forscher eine größere Beweglichkeit nach Zugabe von Mucin fest. Es zeigte sich, dass für die Hemmwirkung die natürliche dreidimensionale Molekülstruktur wichtig war. Auf einer Oberfläche gebundene oder kommerziell erhältliche, chemisch veränderte Mucine waren für die Experimente ungeeignet.

Die Ergebnisse könnten dazu beitragen, neue Therapien von Lungeninfektionen durch Pseudomonaden zu entwickeln. Bei Mukoviszidose-Patienten hat man beobachtet, dass hauptsächlich Bakterienformen, die ihre Beweglichkeit verloren haben, für die lebensbedrohlichen Infektionen verantwortlich sind. In diesen Fällen schwächt die gestörte Schleimproduktion die natürliche Erregerabwehr. Biofilm bildende Bakterien spielen auch bei infizierten Implantaten und Karies eine entscheidende Rolle. Hemmstoffe, die wie Mucine wirken und die hartnäckige Keimbesiedlung verhindern, wären gegen solche Infektionen effektiver als Antibiotika. Die Forscher halten es für möglich, dass Mucine auch für die Abwehr von Viren und Hefen von Bedeutung sind.

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