Wie Lauftraining das Gedächtnis verbessert

Die Beinmuskeln von Mäusen, Affen und Menschen setzen bei stärkerer Beanspruchung ein Enzym frei, welches das Wachstum neuer Hirnzellen anregt und kognitive Hirnfunktionen fördert
Freiwilliges Laufradtraining fördert die Bildung neuer Nervenzellen (durch grüne Fluoreszenzmarkierung sichtbar gemacht) im Hippocampus von erwachsenen Mäusen.
Freiwilliges Laufradtraining fördert die Bildung neuer Nervenzellen (durch grüne Fluoreszenzmarkierung sichtbar gemacht) im Hippocampus von erwachsenen Mäusen.
© Henriette van Praag and Linda Kitabayashi
Baltimore (USA) - Regelmäßiges Lauftraining verbessert die Gedächtnisleistung. Auf welche Weise das geschieht, blieb bisher rätselhaft. Jetzt konnte ein amerikanisch-deutsches Forscherteam zeigen, dass beim Laufen in den Beinmuskeln vermehrt das Enzym Cathepsin B produziert wird. Es gelangt mit dem Blutstrom in das Gehirn und aktiviert dort Gene, die eine Neubildung von Hirnzellen im Hippocampus anregen, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Cell Metabolism”. Bei genetisch veränderten Mäusen, denen das Cathepsin-Gen fehlte, konnte eine erhöhte Muskelaktivität die kognitive Hirnfunktion nicht mehr positiv beeinflussen.

„Mit einem breit angelegten Screening suchten wir nach Proteinen, die aus dem Muskelgewebe freigesetzt und ins Gehirn transportiert werden könnten – und wir fanden als interessantesten Kandidaten das Cathepsin B“, sagt Henriette van Praag vom National Institute on Aging in Baltimore. Cathepsine sind proteinspaltende Enzyme, die in verschiedenen Geweben des Körpers produziert werden. Sie sind am Abbau nicht mehr benötigter körpereigener Proteine beteiligt. Über weitere Funktionen ist wenig bekannt. Die Forschergruppe entdeckte zunächst durch Untersuchungen an Zellkulturen, dass stark beanspruchte Muskelzellen von Ratten vermehrt ein später als Cathepsin B identifiziertes Protein in das Nährmedium freisetzten. Das gleiche Protein fand sich auch in erhöhter Konzentration im Blut von Mäusen, die mehrere Wochen lang ein tägliches Laufradtraining absolviert hatten.

Genetisch veränderte Mäuse, die kein Cathepsin B mehr bilden konnten, waren auch nicht mehr in der Lage, durch ein Lauftraining ihre Gedächtnisleistung zu steigern. In solchen Tests müssen die Tiere lernen, sich die Position einer Plattform unter der Wasseroberfläche zu merken, um diese schwimmend zu erreichen. Offenbar unterstützt ein erhöhter Cathepsin-Spiegel die kognitive Fähigkeit, sich im Raum zu orientieren. Auch bei Rhesusaffen und Menschen, die vier Monate lang täglich auf dem Laufband trainiert hatten, stieg der Gehalt an Cathepsin B im Blut an. In Gedächtnistests schnitten Testpersonen umso besser ab, je höher der Enzymspiegel war. Einen Hinweis auf den Wirkmechanismus lieferten Experimente mit Kulturen von Nervenzellen: Eine Behandlung mit Cathepsin B löste die Produktion eines Wachstumsfaktors aus, der die Neubildung von Hirnzellen stimulieren kann. Das Wachstum neuer Zellen in der Hirnregion des Hippocampus ist für die Gedächtnisfunktion von Bedeutung.

Neben dieser positiven Wirkung des Cathepsin B dürfe man aber auch mögliche negative Effekte des Enzyms nicht außer Acht lassen, erklären die Autoren. So seien verschiedene – darunter auch neurologische – Erkrankungen mit einem Anstieg des Cathepsin-Spiegels verbunden. Wahrscheinlich ist die Aktivität des Enzyms im gesunden Organismus streng reguliert und die Konsequenzen einer verstärkten Produktion könnten von anderen noch unbekannten Zusatzfaktoren abhängig sein. Als nächstes wollen die Forscher herausfinden, wie das Cathepsin die Blut-Hirn-Schranke überwindet und über welche Mechanismen es das Wachstum von Neuronen stimuliert und so kognitive Hirnleistungen verbessert.

© Wissenschaft aktuell


 

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