Wie Ionenbeschuss Metalloberflächen verändert

Der Hightech-Prozess zur Oberflächenbehandlung war in seinen physikalischen Details bisher unverstanden – Rechenmodell schließt die Lücken.
Das Computermodell zeigt das Bild einer “Insel” aus Metallatomen, die sich nach dem Beschuss mit Edelgas-Ionen bildet. Unter dem Bombardement klumpen Atome unter der Oberfläche zusammen und gleiten dann gemeinsam zurück nach oben – innerhalb von 2,1 Pikosekunden.
Das Computermodell zeigt das Bild einer “Insel” aus Metallatomen, die sich nach dem Beschuss mit Edelgas-Ionen bildet. Unter dem Bombardement klumpen Atome unter der Oberfläche zusammen und gleiten dann gemeinsam zurück nach oben – innerhalb von 2,1 Pikosekunden.
© Kim Lab / Brown University
Providence (USA ) - Es funktionierte bisher, ohne dass jemand den Ablauf verstand: Schießt man mit einem Ionenstrahl auf Kupfer-, Gold- oder Alu-Oberflächen schießt, werden sie rauer oder stabiler, die Metalle verändern sich auf der Ebene einzelner Atome. Doch waren bislang Versuch und Irrtum nötig, um gewünschte Ergebnisse zu erzielen. Erst jetzt haben US-Forscher herausgefunden, was genau bei solchem Ionenbeschuss abläuft. Sie konnten die physikalischen, nanoplastischen Vorgänge mithilfe einer umfassenden Computersimulation erklären, schreiben sie im Fachblatt „Proceedings of the Royal Society A“. Dies hilft nicht nur der Grundlagenforschung, sondern liefert so unterschiedlichen Bereichen wie der Chipherstellung, flexibler Elektronik oder der Medizintechnik ein präziseres Werkzeug.

„Oberflächenmuster und –spannungen durch Ionenstrahlbeschuss sind im Experiment ausführlich untersucht worden, aber konnten bislang nicht präzise vorhergesagt werden“, erklärt Kyung-Suk Kim, Professor für Ingenieurswesen an der Brown University. „Die neue Erkenntnis sollte ermöglichen, die Muster und Spannungen in Nanotechnologie-Produkten gezielt zu kontrollieren.“ Kim, sein Hauptautor Sang-Pil Kim und ihre Kollegen konzentrierten sich bei ihrem Modell auf die Gruppe der oft eingesetzten FCC-Metalle: Kupfer, Silber, Gold, Aluminium und Nickel gehören dazu. Um die Veränderung ihrer Atomstruktur beim Beschuss mit niedrigenergetischen Edelgas-Ionen zu erklären, hatten sich auch andere Arbeitsgruppen an Computermodellen versucht. Den Brown University-Forschern gelang es jedoch nun, mehr als einen einzigen Ionen-Aufprall und gleich zahlreiche Punktdefekte im Metall zu simulieren.

„Zum ersten Mal untersuchen wir hier das kollektive Verhalten dieser Defekte während eines Ionen-Bombardements in punkto Ionen-Substrat-Kombinationen“, so Kyung-Suk Kim. Laut ihrem Modell kann der Beschuss binnen weniger Pikosekunden drei Hauptmechanismen in Gang setzen, je nachdem, wie die aufprallenden Ionen das Metall schmelzen lassen und wie es sich – teils mit eingeschlossenen Ionen – wieder verfestigt. Trifft ein Ion auf die Metalloberfläche, so dringt es ein und drängt nahe Metallatome wie Billardkugeln beiseite. Doch anders als beim Schmelzen, das auf atomarem Level ähnlich abläuft, rollen die Kugeln hier nicht davon, sondern kehren wie an einem Gummi gezogen wieder in Richtung Ausgang zurück – das Material verfestigt sich, allerdings oft in neuer Anordnung. So finden sich einerseits Lücken im Kristallgitter, die die Atome darüber zu schließen versuchen – was mehr Spannung erzeugt – und andererseits verdichtete Stellen mit zusätzlichen Atomen im Gitter. Es entsteht eine Doppelschicht aus einer jeweils lockereren und dichteren Schicht. Die rauere Oberfläche nach einem Beschuss erklärte man bisher damit, dass einzelne Atome verschoben und an die Oberfläche getrieben würden. Tatsächlich aber, so zeigt das neue Modell, klumpen ganze Gruppen verschobener Atome binnen weniger Pikosekunden zusammen und treiben gemeinsam an die Oberfläche, erklärt Kyung-Suk Kim: „Der Prozess ist analog zu Menschen, die in den Vorstädten in eine U-Bahn steigen und in der Stoßzeit in der Innenstadt alle zusammen an einer Station an die Oberfläche kommen.“

Als nächstes wollen die Forscher ein Vorhersagemodell für den Ionenbeschuss entwickeln, das die Entwicklung von Nanomustern gezielt steuern lässt. Danach wollen sie ihre Untersuchungen auch auf andere Materialien unter extremen Bedingungen ausweiten. Schon jetzt optimiert die Bestrahlung etwa die Silberbeschichtung in optischen Bauteilen oder erzeugt winzige Nanostrukturen, indem die erzeugten Spannungen eine ultradünne Metallschicht auf dehnbarer Unterlage zu winzigen Faltenmustern anregen. Solch veränderte Oberflächen haben neue Eigenschaften in Sachen Reibung, Benetzung, Haftung an biologischen Materialien oder auch optische Reflexion.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: “Nanoscale mechanisms of surface stress and morphology evolution in FCC metals under noble-gas ion bombardments”, Sang-Pil Kim, Kyung-Suk Kim et al; Proceedings of the Royal Society A;
DOI:10.1098/rspa.2012.0042


 

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