Wie Darmkeime den Appetit regulieren

Nach einer Mahlzeit produzieren E. coli-Bakterien Proteine, die dem Gehirn Sättigung signalisieren
E. coli-Proteine aktivieren appetithemmende Neuronen (grün) im Hypothalamus von Ratten.
E. coli-Proteine aktivieren appetithemmende Neuronen (grün) im Hypothalamus von Ratten.
© J. Breton, N. Lucas & D. Schapman
Rouen (Frankreich) - Fettleibige Menschen beherbergen in ihrem Darm andere Bakterien als schlanke. Diese Erkenntnis war ein erster Hinweis darauf, dass bestimmte Darmkeime möglicherweise das Essverhalten ihres Wirtes beeinflussen. Jetzt berichten französische Forscher, auf welche Weise eine solche Wirkung erzielt werden könnte. Sie fanden heraus, dass der Darmkeim E. coli nach einer durch Nährstoffzufuhr ausgelösten Vermehrungsphase Proteine freisetzt, die bei Mäusen und Ratten den Appetit drosseln. Das geschieht über dieselben Signalwege, die auch durch körpereigene Botenstoffe aktiviert werden, um Sättigungsgefühle zu erzeugen, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Cell Metabolism”.

„Wir vermuten, dass sich Bakterien an der Regulation des Appetits beteiligen, indem sie kurz nach einer Nahrungszufuhr den Körper dazu anregen, Sättigungshormone aus Zellen der Darmwand freizusetzen. Zudem produzieren sie Proteine, die mit dem Blut ins Gehirn gelangen und spezielle Hirnzellen aktivieren”, sagt Sergueï Fetissov von der Universität Rouen. Das Ausbleiben dieser bakteriellen Signale bei Nahrungsmangel würde demnach zur Entstehung von Hungergefühlen beitragen. Die Untersuchungen von Fetissov und seinen Kollegen beschränkten sich auf E. coli-Bakterien, die ein – allerdings nur geringer – Bestandteil der menschlichen Darmflora sind.

Die Forscher simulierten die Wachstumsbedingungen der Bakterien im Darm, indem sie Laborkulturen schubweise mit Nährstoffen versorgten. Jeder „Fütterung” folgte eine 20-minütige Phase schneller Zellvermehrung. Danach stellten die Mikroben ihre Proteinproduktion um, wie entsprechende Analysen vor und nach der Fütterung zeigten. Wurden diese Proteine in den Darm von Mäusen oder Ratten injiziert, produzierten Darmzellen der Tiere verstärkt Sättigungshormone und die Nahrungsaufnahme verringerte sich. Die vor der Zugabe von Nährlösung vorhandenen bakteriellen Proteine besaßen diese Wirkung nicht. Eines der nach Fütterung gebildeten E. coli-Proteine hatte eine starke chemische Ähnlichkeit mit dem Sättigungshormon alpha-MSH. Das bakterielle Protein war auch im Blut der Tiere nachweisbar und aktivierte appetithemmende Neuronen in der Hirnregion des Hypothalamus. Demnach wirken Proteine der Darmbakterien sowohl indirekt und lokal auf Zellen der Darmwand als auch direkt auf Hirnfunktionen, die das Essverhalten steuern.

Außer E. coli sind wahrscheinlich auch andere Darmbakterien an einer solchen Regulation des Appetits beteiligt, vermuten die Forscher. Weitere Untersuchungen könnten dazu beitragen, die Ursache von Essstörungen aufzuklären und Therapien zu entwickeln, die auf die Normalisierung einer gestörten Darmflora abzielen.

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