Wie Arzthirne bei der Diagnose arbeiten

Bei der Erstellung einer Erstdiagnose sind dieselben Hirnbereiche aktiv wie bei der Benennung von Objekten
Hirnaktivität während der Aufgaben
Hirnaktivität während der Aufgaben
© Melo M, Scarpin DJ, Amaro E Jr, Passos RBD, Sato JR, et al.; PLoS ONE doi:10.1371/journal.pone.0028752
Sao Paulo (Brasilien) - Eine Erstdiagnose erstellen Ärzte oft in Sekundenschnelle - in den ersten Augenblicken des Kontakts mit dem Patienten, noch bevor sich dieser zu seinen Beschwerden äußert. Dazu nutzen sie offenbar die gleichen Hirnmechanismen wie bei der Benennung von Objekten. Das haben brasilianische Forscher mithilfe funktioneller Magnetresonanztomographie sichtbar gemacht, wie sie im Online-Journal "PLoS ONE" berichten. Die in der Studie untersuchten Mediziner sollten auf Röntgenaufnahmen sichtbare Schädigungen beurteilten. Während sie das taten, waren dieselben Gehirnbereiche aktiv wie beim Erkennen von einfachen Tierzeichnungen in den Röntgenaufnahmen. Dies legt nahe, dass beiden Prozessen dieselben neuronalen Mechanismen zugrunde liegen.

"Die Ergebnisse stützen die Hypothese, dass medizinische Diagnose, die auf umgehender visueller Erfassung klinischer Anzeichen basiert, und alltägliches Benennen von ähnlichen Hirnsystemen unterstützt werden", schreiben Marcio Melo von der Universität Sao Paulo und Kollegen. "Nichtsdestotrotz war das Diagnostizieren von Schädigungen kognitiv anspruchsvoller und mit höherer Aktivität in übergeordneten Arealen der Hirnrinde verbunden." Die neuronalen Grundlagen medizinischer Diagnose besser zu verstehen, könnte etwa zur Verbesserung diagnostischer Techniken und Fachkenntnisse beitragen und Fehldiagnosen vermeiden helfen. Die Ergebnisse von Melo und Kollegen lassen zudem vermuten, dass sich das recht umfassende Wissen aus neurowissenschaftlichen Studien zu Wahrnehmung und Benennung von Objekten auch in der diagnostischen Praxis als hilfreich erweisen könnte.

Die Forscher hatten mithilfe funktioneller Magnetresonanztomographie dem Hirn von 25 Radiologen bei der Arbeit zugesehen. Auf Röntgenaufnahmen vom Oberkörper, die sie 1,5 Sekunden zu sehen bekamen, sollten die Ärzte unter anderem Schädigungen diagnostizieren und Tiere erkennen, die als einfache Umrisszeichnungen in die Bilder eingebettet waren. Beides ging in Sekundenschnelle: Die Teilnehmer konnten die Schädigungen nach nur 1,33 Sekunden benennen, die Tiere noch schneller, nach 1,23 Sekunden. Bei beiden Aufgaben ähnelten sich die Aktivitätsmuster im Hirn. In bestimmten Bereichen war die Aktivität bei der Schnelldiagnose lediglich eindeutig noch größer als bei der Benennung der Tiere.

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Quelle: "How Doctors Generate Diagnostic Hypotheses: A Study of Radiological Diagnosis with Functional Magnetic Resonance Imaging", Marcio Melo et al.; PLoS ONE, doi:10.1371/journal.pone.0028752


 

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