Wettlauf gegen das Aussterben: Beschreibung einer neuen Art dauert 21 Jahre

Jahrelang vor der Erstuntersuchung lagern konservierte Präparate von Tieren und Pflanzen im Museum
Hat bereits einen Namen: Kaiserbarsch (Hoplostethus atlanticus), Melbourne Museum
Hat bereits einen Namen: Kaiserbarsch (Hoplostethus atlanticus), Melbourne Museum
© Peter Halasz. (User:Pengo) / Creative Commons (CC BY-SA 3.0), http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de
Paris (Frankreich) - Eine neue Tier- oder Pflanzenart wird in den seltensten Fällen bereits beim ersten Anblick in freier Natur erkannt. Zunächst gelangen konservierte Exemplare in die Lager von Museen und Sammlungen und lange Zeit geschieht erst mal nichts. Im Schnitt dauert es 21 Jahre, bis ein Biologe dann durch vergleichende Untersuchungen die neue Spezies entdeckt und ihr einen Namen gibt, berichten französische Forscher im Fachblatt „Current Biology“. Hauptgrund für die lange Zeit der Zwischenlagerung biologischer Fundstücke sei ein Mangel an Experten und Geldmitteln. Angesichts des derzeit beschleunigten Artensterbens wächst so die Wahrscheinlichkeit, dass eine neue Spezies zum Zeitpunkt ihrer Erstbeschreibung bereits ausgestorben ist.

„Das ist wie ein Astronom, der das Licht von Sternen sieht, die gar nicht mehr existieren“, sagt Benoît Fontaine vom Muséum National d'Histoire Naturelle in Paris. „Unsere Studie erklärt, warum es häufig passiert, dass wir Arten beschreiben, die vor Jahrzehnten – als sie gesammelt wurden – noch lebten, aber jetzt bereits ausgestorben sein können.“ Beim jetzigen Tempo werde es einige Jahrhunderte dauern, bis alle noch unbekannten Lebewesen beschrieben und benannt worden sind. Für ihre Studie beschränkten sich Fontaine und seine Kollegen auf das Jahr 2007, in dem die Namen von 17.000 neuen Spezies in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht wurden. Die Forscher trafen eine Zufallsauswahl von 570 Spezies aus unterschiedlichen Gruppen von Lebewesen, darunter Pflanzen, Fische, Landwirbeltiere, Insekten, Pilze sowie Algen und Bakterien. Zusammengenommen lagen zwischen dem Datum des ersten Funds und der Veröffentlichung 20,7 Jahre – mit einer großen Spannbreite von 0 bis 206 Jahren. Die Lagerzeit in den Regalen von zoologischen Museen und botanischen Sammlungen war bei Wasserlebewesen kürzer als bei Landlebewesen und für Pflanzen und Wirbeltiere länger als für andere Organismen.

In erster Linie sei ein Mangel an Taxonomen für den zögerlichen Ablauf dieser Arbeiten verantwortlich, so die Autoren. Als Taxonomen ausgebildete Biologen beschäftigen sich mit den Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Lebewesen und ordnen diese in ein System, das unter anderem aus Klassen, Familien, Gattungen und Arten aufgebaut ist. Ihre Arbeit wird erleichtert, wenn es von einer möglicherweise neuen Art mehr als nur ein Präparat gibt. Daher könnte auch eine verstärkte Sammelaktivität auf biologischen Exkursionen helfen, neue Arten schneller zu entdecken. Unsere Generation stehe vor der Tatsache, so die Forscher, dass einerseits etwa 80 Prozent der zurzeit existierenden Lebewesen noch beschrieben werden müssen und andererseits ein großer Teil davon in den nächsten Jahrzehnten aussterben könnte. „Wir müssen uns beeilen“, sagt Fontaine, „neue Arten verschwinden schneller als wir sie beschreiben können.“

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