Weniger Hirnaktivität bei verzerrter Körperwahrnehmung

Bei krankhaft gestörtem Selbstbild sind Gehirnbereiche zur Bildverarbeitung weniger aktiv
Haus-Bilder in drei unterschiedlichen Auflösungen bestätigten, dass die Hirnströrung sich auch auf neutrale Objekte bezieht
Haus-Bilder in drei unterschiedlichen Auflösungen bestätigten, dass die Hirnströrung sich auch auf neutrale Objekte bezieht
© University of California - Los Angeles
Los Angeles - Wer seinen Körper als entstellt und hässlich wahrnimmt, sieht auch andere Objekte verzerrt. Dies liegt an einer Funktionsstörung im Gehirn, berichten jetzt US-Forscher, und ist damit dem bewussten Denken entzogen. Das Team hatte erstmals die Hirnfunktionen von Menschen mit einer sogenannten Körperdysmorphen Störung (KDS) untersucht, während diese leicht veränderte Fotos von Häusern betrachteten. Im Vergleich mit Kontrollpersonen ohne diese Störung zeigte sich: Die KDS-Patienten haben Schwierigkeiten, Objekte - inklusive ihrer eigenen Gesichter oder Körper - als Ganzes wahrzunehmen. Stattdessen fokussieren sie sich auf einzelne Details, die dann oft als störend wahrgenommen werden, schreiben die Forscher in der Online-Ausgabe des Fachblatts "Psychological Medicine" (doi: 10.1017/S0033291711000572). Dies spiegele sich auch in einem verschobenen Aktivitätsmuster der Großhirnrinde. Da Details in der Wahrnehmung überbewertet werden, empfinden Betroffene einen vermeintlichen Makel oft als so störend, dass ihr Selbstwertgefühl stark leidet und sie sich aus ihrem sozialen Umfeld zurückziehen.

"Diese Studie ist ein wichtiger Schritt, um herauszufinden, was in den Hirnen von Menschen mit KDS falsch läuft. So können wir Behandlungen entwickeln, um ihre Selbstwahrnehmung zu verändern", sagt Jamie Feusner, der Direktor des Obsessive-Compulsive Disorder Intensive Treatment Program an der University of California, Los Angeles. Erstmals hatte sein Team mit Hilfe von Hirn-Scans den KDS-Patienten beim visuellen Verarbeiten von Objekten direkt zugeschaut. Insgesamt 14 betroffene Männer und Frauen sowie 14 gesunde Kontrollpersonen betrachteten verschiedene Bildversionen von Häusern, während die Aktivitäten ihres Sehzentrum in der Großhirnrinde mit Hilfe funktioneller Magnetresonanztomographie aufgezeichnet wurden. Die Hausfotos hatten die Forscher zuvor bearbeitet: Je eine Variante zeigte extrem feine Details bis hin zur Schindelstruktur auf dem Dach, die zweite blieb mit normalem Detailumfang unverändert und die dritte war stark vergröbert und ließ nur die Umrisse von Haus, Fenstern und Türen erkennen, also nur ein Haus als "großes Ganzes".

Störung geht bewusstem Denken voraus

Wenn die KDS-Betroffenen nun die jeweils dritte Bildversion betrachteten, zeigten ihre für die Bildverarbeitung zuständigen Hirnfunktionen deutlich weniger Aktivität als bei den Kontrollpersonen. Und je stärker ihre Krankheitssymptome waren, desto niedriger war die Aktivität besonders in jenen Bereichen, die Bilder als Ganzes verarbeiten. Feusner schließt daraus, dass bei KDS-Patienten allgemein die visuelle Wahrnehmung gestört ist: "Wir haben aber noch nicht bestimmen können, ob dies eine der Ursachen von KDS ist oder die Auswirkung, die KDS hat."

Lange hätten Psychologen geglaubt, berichtet Feusner, dass Menschen mit gestörtem Körperbild wie bei Essstörungen nur verzerrte Gedanken über ihr Aussehen hätten. Offenbar gehe es aber um Probleme im Visuellen Cortex des Hirns, die noch vor dem Formen bewusster Gedanken aufträten. Dank der neuen Erkenntnisse will sein Team nun neue Behandlungsmethoden entwickeln, die anders ansetzen als bisher, um die Wahrnehmung der Betroffenen und vor allem ihr Selbstbild wieder gerade zu rücken. Eine Körperdysmorphe Störung betrifft etwa zwei Prozent der Bevölkerung. Bei einem Drittel der Patienten ist sie auch mit Essstörungen wie Magersucht verbunden und scheint besonders häufig bei Menschen mit obsessiven Zwangsstörungen aufzutreten.

(c) Wissenschaft aktuell
Quelle: "Abnormalities of object visual processing in body dysmorphic disorder", J. D. Feusner, E. Hembacher, H. Moller & T. D. Moody; Psychological Medicine, DOI: 10.1017/S0033291711000572


 

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