Wegweiser für Schmetterling: Pflanzenduftstoff zeigt Ameisennest an

Bei Bedrohung durch Ameisen locken Oregano- und Thymianpflanzen Bläulinge an, deren Raupen dann in die Nester eindringen und dort als Parasiten leben
Der Schwarzgefleckte Bläuling (Maculinea arion), auch Thymian-Ameisenbläuling genannt, verbringt den größten Teil seines Lebenszyklus als parasitische Raupe in einem Ameisennest.
Der Schwarzgefleckte Bläuling (Maculinea arion), auch Thymian-Ameisenbläuling genannt, verbringt den größten Teil seines Lebenszyklus als parasitische Raupe in einem Ameisennest.
© Shutterstock, Bild 19989964
Oxford (Großbritannien) - Bisher war es rätselhaft, wie der Schwarzgefleckte Bläuling (Maculinea arion) genau die richtigen Pflanzen für die Eiablage findet. Denn die Raupen dieses Tagfalters fressen nur kurze Zeit Thymian- oder Oreganoblüten. Dann müssen sie in ein unterirdisches Nest von Knotenameisen gelangen, in dem sie sich elf Monate lang von der Brut ernähren. Deshalb legt das Bläulingsweibchen seine Eier bevorzugt auf Wirtspflanzen mit Ameisennest in der Nähe. Und das erkennt der Falter an einem Geruchsstoff, den nicht etwa die Ameisen, sondern die Pflanze produziert, berichtet jetzt ein Team europäischer Biologen. Die Pflanze setzt einen Abwehrstoff frei, wenn Ameisen im Wurzelbereich ein Nest bauen. Knotenameisen lassen sich davon zwar nicht vertreiben, doch der Duft veranlasst Bläulingsweibchen zur Eiablage. Die Raupen finden schnell den Weg ins Nest, schädigen oder zerstören es und helfen damit der Pflanze. Da sich nicht parasitierte Nester wegen der fehlenden Konkurrenz mit anderen Ameisen besonders gut entwickeln können, profitieren letztlich wohl alle Partner von dieser komplexen Dreierbeziehung, erklären die Forscher im Fachblatt „Proceedings of the Royal Society B”.

Ein und derselbe pflanzliche Naturstoff erweist sich als vorteilhaft für den Schmetterling und nachteilig für die Knotenameisen, schreiben Jeremy Thomas von der University of Oxford und Kollegen aus Italien, Dänemark und Deutschland. Die Freisetzung der leicht flüchtigen Substanz Carvacrol ist für die Pflanze sowohl eine Abwehrmaßnahme als auch ein SOS-Signal und für den Bläuling ein Wegweiser zum optimalen Futterplatz der Raupen. Dabei dürfte der Nutzen für die Pflanze größer sein als der Fraßschaden, den die jungen Raupen zunächst anrichten, vermuten die Forscher. Das auch in verschiedenen anderen Pflanzen enthaltene Carvacrol ist für seine abtötende Wirkung auf Insekten, Pilze und andere Lebewesen bekannt. Auf welche Weise die frisch geschlüpften Bläulingsraupen vor diesem Giftstoff geschützt sind, wurde noch nicht untersucht.

Für ihre Beobachtungen pflanzten die Biologen jeweils vier Oreganopflanzen (Origanum vulgare) in insgesamt zwölf Terrarien, wovon sechs jeweils zusätzlich ein Nest von Knotenameisen (Myrmica sabuleti oder Myrmica scabrinodis) enthielten. Wenn die Ameisen mit ihrem Nestbau in die Wurzelzone einer Pflanze vordrangen, reagierte die Pflanze mit einer verstärkten Freisetzung von Carvacrol. Die meisten Ameisenarten werden dadurch abgeschreckt, wie andere Versuche gezeigt haben. Nur Myrmica-Arten erwiesen sich als ungewöhnlich widerstandsfähig. Diese Knotenameisen schützen sich, indem sie spezielle Verbindungen produzieren, die das Carvacrol inaktivieren. Das ermöglicht es ihnen, im Wurzelbereich von Oreganopflanzen zu leben, ohne sich gegen die Konkurrenz von Ameisen anderer Gattungen wehren zu müssen. Im Lauf der Evolution lernte der Schwarzgefleckte Bläuling offenbar, gezielt solche Wirtspflanzen zur Eiablage auszuwählen, die große Mengen an Carvacrol freisetzen und damit die Existenz eines Myrmica-Nestes anzeigen.

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