Wasserspinnen bauen überraschend effektive Taucherglocken

Die Tiere schaffen mit ihren Unterwasserluftblasen ein weit effizienteres System als angenommen
Die Wasserspinne Argyroneta aquatica trägt Luftblasen unter die Wasseroberfläche und verankert diese in Ufernähe mit Hilfe eines feinen Gespinstes
Die Wasserspinne Argyroneta aquatica trägt Luftblasen unter die Wasseroberfläche und verankert diese in Ufernähe mit Hilfe eines feinen Gespinstes
© Stefan Hetz, Humboldt-Universität zu Berlin
Berlin - Wasserspinnen müssen deutlich seltener aus ihrer Unterwasserbehausung an die Oberfläche als gedacht. Bisher galt die Annahme, dass sie etwa zwei bis dreimal in der Stunde Luft nachtanken. Tatsächlich können es die Tiere aber mehr als einen Tag in der von ihnen gebauten Luftglocke aushalten, hat ein deutsch-australisches Forscherduo beobachtet. Selbst unter schlechtesten Bedingungen - in stehendem, warmem Wasser - kommen die Spinnen hervorragend mit dem Sauerstoff zurecht: Der Gasaustausch des Luftdepots mit dem umgebenden Wasser reicht völlig aus, um den Bedarf einer ruhenden Spinne zu decken. Lediglich in extrem sauerstoffarmem Wasser und sehr kleinen Luftglocken müssen sie häufiger zur Oberfläche und Frischluft holen, berichten die Biologen im "Journal of Experimental Biology" (doi:10.1242/jeb.056093). Wasserspinnen bauen sich in der Uferzone eines Gewässers eine Art Taucherglocke, indem sie zwischen den Hinterbeinen Luftblasen nach unten transportieren, die dann von ihrem feinen Gespinst unter Wasser gehalten werden. Die außerordentlichen Spinnentiere sind zwar durchaus bereits untersucht worden, allerdings noch nie derart exakt, was etwa den Sauerstoffaustausch und die Stoffwechselrate angeht.

"Es wurde noch nie gemessen", sagt Stefan Hetz von der Humboldt-Universität zu Berlin gegenüber Wissenschaft aktuell. Um diese Wissenslücke zu füllen, hatte er an der Eider in Schleswig Holstein gemeinsam mit seinem Kollegen Roger S. Seymour von der University of Adelaide Wasserspinnen (Argyroneta aquatica) gesammelt und ins Labor verfrachtet. Dort konnten die Forscher die Tiere unter kontrollierten Bedingungen beobachten. "Wir schufen den schlimmstmöglichen Fall eines stehenden warmen Gewässers", erzählt Hetz. Unter diesen Extrembedingungen ließen die Biologen die Spinnen ihre Behausung bauen und maßen dann die Stoffwechselrate der Tiere sowie den Sauerstoffgehalt sowohl im Wasser als auch in der Luftblase.

Nachtanken erst bei zu kleiner Luftblase

Sie stellten fest: Der Unterschied des sogenannten Sauerstoffpartialdrucks zwischen Innen und Außen ist sehr groß. Außen ist dieser Druck - der Anteil des Gasdrucks, der durch den im Luftgemisch enthaltenen Sauerstoff erzeugt wird - sehr hoch, im Inneren sehr niedrig. Dadurch kann der Sauerstoff verhältnismäßig leicht aus dem Wasser ins Innere gelangen. Eine zentrale Rolle in diesem äußerst effektiven System spielt neben der niedrigen Stoffwechselrate der Spinnen auch die Größe der Taucherglocke. "Die Oberfläche der Blase reicht aus, dass genug Sauerstoff aus dem umliegenden Wasser in die Luftblase hinein diffundiert", erläutert Hetz. Der limitierende Faktor, warum die Spinnen doch ab und an Frischluft von der Oberfläche des Gewässers holen müssen, ist schließlich nicht der Sauerstoff, sondern der Stickstoff. Dieser diffundiert nämlich im Gegensatz zum Sauerstoff aus der Blase ins Wasser, so dass diese mit der Zeit schrumpft. Wird sie zu klein, ist die Blasenoberfläche nicht mehr groß genug für einen ausreichenden Sauerstoffaustausch und die Spinne muss nachtanken.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "The diving bell and the spider: the physical gill of Argyroneta aquatica", Roger S. Seymour, Stefan K. Hetz; Journal of Experimental Biology (doi:10.1242/jeb.056093)


 

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