Warum die Masernimpfung nicht nur vor Masern schützt

Epidemiologische Daten bestätigen, dass eine Masernerkrankung zu einem „Gedächtnisverlust“ des Immunsystems führt, der zwei bis drei Jahre anhält
Die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut empfiehlt Masernimpfungen ab dem zwölften Lebensmonat.
Die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut empfiehlt Masernimpfungen ab dem zwölften Lebensmonat.
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Princeton (USA) - Nach Einführung von Massenimpfungen gegen Masern verringerte sich die Kindersterblichkeit im jeweiligen Land um 30 bis 90 Prozent. Dieser starke Effekt beruht darauf, dass die Impfung irgendwie auch vor anderen tödlich verlaufenden Infektionskrankheiten schützt. Eine der möglichen Erklärungen dafür haben amerikanische Forscher jetzt mit Hilfe von Gesundheitsregistern verschiedener Staaten bestätigt. Sie analysierten Daten aus der Zeit vor und nach der Einführung von Masernimpfungen. Demnach erhöhten sich nach einem Masernausbruch die Sterberaten aufgrund von Infektionskrankheiten und sanken erst nach zwei bis drei Jahren wieder. Dieser enge zeitliche Zusammenhang lässt sich am besten damit erklären, dass durch eine Maserninfektion Gedächtniszellen des Immunsystems verloren gehen, was die Immunabwehr generell schwächt. Dadurch werden Kinder nach überstandener Krankheit erneut anfällig für Erreger, gegen die sie zuvor bereits einen Immunschutz aufgebaut hatten, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal „Science“.

„Unsere Ergebnisse betonen die globale Bedeutung von Masernimpfungen für die Gesundheit“, erklären Michael Mina von der Princeton University und seine Kollegen. Zwar war bereits bekannt, dass eine Infektion durch Masernviren das Immunsystem schädigt und die Anfälligkeit gegen ganz verschiedene Infektionen erhöht. Unklar blieb, warum das so ist und wie lange dieser Zustand andauert. Einer Hypothese zufolge beruht dieser Effekt auf der Zerstörung von B- und T-Lymphozyten – Immunzellen, die für eine effektive Abwehr von Krankheitserregern notwendig sind. Dabei würden auch Gedächtniszellen und damit der bereits erworbene Immunschutz gegen verschiedene Erreger verloren gehen. Diese Immunität müsste dann erst wiedererlangt werden.

Die Forscher überprüften die Hypothese mit Hilfe von Sterberegistern und medizinischen Daten aus England, Wales, Dänemark und den USA. Dabei verglichen sie den Verlauf der Zahl an Todesfällen aufgrund von Infektionen jeder Art mit den registrierten Zahlen an Masernerkrankungen in den Jahren vor und nach Einführung von Masernimpfungen. Die statistischen Daten waren am besten damit in Einklang zu bringen, dass der durch die Masernviren zerstörte Immunschutz erst nach zwei bis drei Jahren wiederhergestellt ist und in dieser Zeit die Sterberate durch andere Infektionserreger ansteigt. Daher seien Masernimpfungen eine höchst kosteneffektive Maßnahme zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung, schreiben die Forscher. Dieser Nutzen zeige sich offenbar nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch in Ländern mit hohem Lebensstandard, wo die Bedrohung durch gefährliche Infektionserreger vergleichsweise gering ist. Die Ergebnisse der Studie widersprechen der verbreiteten Ansicht, dass es sich bei Masern nur um eine harmlose Kinderkrankheit handelt. Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut empfiehlt zwei Masernimpfungen, die erste ab dem zwölften Lebensmonat.

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