Warum Nacktmulle nie an Krebs erkranken

Substanz im Bindegewebe der Nagetiere blockiert bestimmte Signalwege und verhindert damit ein Krebswachstum
Forscher versuchen, den natürlichen Krebsschutz der Nacktmulle für den Menschen nutzbar zu machen.
Forscher versuchen, den natürlichen Krebsschutz der Nacktmulle für den Menschen nutzbar zu machen.
© Brandon Vick/ University of Rochester
Rochester (USA) - Nacktmulle sind in mehrfacher Hinsicht einzigartig: Die mausgroßen afrikanischen Nagetiere leben unterirdisch in Kolonien mit jeweils einer Königin, können über 30 Jahre alt werden und erkranken nie an Krebs. Jetzt haben amerikanische Forscher entdeckt, wie sich die felllosen Säugetiere vor einem Tumorwachstum schützen. Ihre Hautzellen produzieren eine hochmolekulare, das heißt aus ungewöhnlich langen Molekülketten bestehende Form von Hyaluronsäure. Diese lagert sich in großen Mengen zwischen den Zellen des Bindegewebes ab und blockiert Signale, die für ein Krebswachstum nötig wären. Die Aufklärung des Schutzmechanismus' könnte es ermöglichen, neue Methoden der Krebsvorbeugung – und vielleicht auch der Lebensverlängerung – zu entwickeln, schreiben die Biologen im Fachjournal „Nature“.

„Injektionen von Hyaluronsäure werden schon beim Menschen eingesetzt, um Gesichtsfalten zu behandeln und Arthroseschmerzen im Kniegelenk zu lindern, ohne dass dabei bedenkliche Nebenwirkungen auftreten“, sagt Andrei Seluanov von der University of Rochester. Daher bestünden gute Chancen, die Substanz schon bald auf ihre Krebsschutzwirkung an Versuchspersonen testen zu können. Zusammen mit Vera Gorbunova entdeckte Seluanov den entscheidenden Faktor, der für die extrem geringe Krebsanfälligkeit von Nacktmullen (Heterocephalus glaber) im Vergleich zu Mäusen und Menschen verantwortlich ist. Hyaluronsäure, chemisch exakt als Hyaluronan bezeichnet, wird zwar auch von menschlichen Zellen produziert und ist ein Hauptbestandteil von Bindegewebe und Gelenkflüssigkeit. Aber Nacktmulle bilden Molekülketten von Hyaluronsäure, die mehr als fünfmal so lang sind wie bei Menschen. Diese Molekülform wird langsamer abgebaut und lagert sich daher in größerer Menge im Bindegewebe der Haut ab. Dort blockiert die Substanz durch Kontakt mit Rezeptoren der Zellen Signale, die die Zellteilung anregen, und wirkt zusätzlich entzündungshemmend.

Die Forscher hatten zuvor bereits den Mechanismus der sogenannten „frühen Kontakthemmung“ bei den Nacktmullen entdeckt. Er sorgt dafür, dass Zellen schon bei vergleichsweise geringer Zelldichte die weitere Vermehrung einstellen und damit auch ein Krebswachstum unmöglich machen. Jetzt haben die Biologen nachgewiesen, dass die Hyaluronsäure zwischen den Zellen die Kontakthemmung auslöst. Eine Bestätigung für deren krebshemmende Wirkung lieferten Experimente, in denen durch verstärkten Abbau oder verringerte Produktion die Ablagerungen von Hyaluronsäure verhindert wurden. Diese Behandlung machte auch die Zellen der Nacktmulle anfällig für Krebs, so dass sich Tumoren bilden konnten. Nun wollen die Biologen zunächst die Wirksamkeit der Nacktmull-Hyaluronsäure an Mäusen und Kulturen menschlicher Zellen testen. Für den späteren Einsatz am Menschen wäre es zum einen denkbar, die Substanz selbst als Wirkstoff einzusetzen. Zum anderen könnte man nach Hemmstoffen suchen, die dieselben Signalwege stören, wie es die Hyaluronsäure tut.

Die Forscher vermuten, dass der Krebsschutz als Nebenprodukt im Lauf der Evolution entstanden ist. Für die Nacktmulle war es zunächst aus ganz anderen Gründen vorteilhaft, große Mengen an hochmolekularer Hyaluronsäure in der Haut zu deponieren. Denn das machte die Haut sehr elastisch und ließ Verletzungen schneller heilen. Beide Eigenschaften sind nützlich, wenn sich dauerhaft unterirdisch lebende nackte Nager in engen Erdgängen fortbewegen müssen.

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