Wärmeres Klima lässt Schafe schrumpfen
"In der Vergangenheit konnten nur große, gesunde Schafe und große Lämmer, die in ihrem ersten Sommer genügend Gewicht angehäuft hatten, die harten Winter auf Hirta überleben", erläutert Tim Coulson vom Imperial College London. "Heute aber ist aufgrund der Klimaänderung Gras als Futter für mehr Monate im Jahr verfügbar und die Überlebensbedingungen sind nicht so fordernd - selbst langsamer wachsende Schafe haben eine Chance, es zu schaffen, was bedeutet, dass kleinere Individuen in der Population immer häufiger werden." Die auf der abgelegenen Insel Hirta lebenden Soayschafe werden seit rund 25 beobachtet und es stellte sich heraus, dass die Tiere in dieser Zeit immer kleiner geworden sind - etwa um 5 Prozent. Coulson und seine Kollegen hatten nun Daten zu Körpergröße und Lebensgeschichte der Tiere mithilfe eines mathematischen Modells genauer analysiert.
Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen legen nahe: Der beobachtete Rückgang der Körpergröße ist vermutlich in erster Linie eine Reaktion auf die Klimaveränderungen. Die höheren Temperaturen fallen offenbar stärker ins Gewicht als klassische Faktoren, die einen selektiven Druck ausüben. Außerdem scheint eine Rolle zu spielen, dass auch immer jüngere Mutterschafe Lämmer bekommen. Sie können aufgrund ihrer Jugend aber noch keinen Nachwuchs hervorbringen, der bei der Geburt so kräftig ist wie es die Mutter bei ihrer Geburt war. Dieser so genannte Junge-Mutter-Effekt war bei bisherigen Analysen nicht berücksichtigt worden.
Es hatte Forschern Rätsel aufgegeben, warum die Tiere in den vergangenen 25 Jahren eher geschrumpft als gewachsen waren. Evolutionären Theorien zufolge müssten die Schafe aufgrund des selektiven Drucks im Laufe der Zeit eher größer als kleiner werden, da größere und kräftigere Tiere einen entscheidenden Überlebensvorteil besitzen. "Unsere Ergebnisse haben ein Paradoxon gelöst, das Biologen seit Jahren gequält hat - warum die Vorhersagen nicht den Beobachtungen entsprachen", sagt Coulson. "Biologen haben erkannt, dass ökologische und evolutionäre Prozesse kompliziert miteinander verflochten sind, und haben nun eine Möglichkeit, den Beitrag von jedem aufzugliedern. Unglücklicherweise ist es zu früh, zu sagen, ob eine wärmer werdende Welt eines Tages zu Schafen im Taschenformat führen wird."