Vorliebe für große Männer – Relikt aus alten Zeiten?

„Weil das Immunsystem eine der für das Überleben wichtigsten Funktionen hat, ist es auch ein wichtiges Merkmal der biologischen Fitness“, schreiben die Wissenschaftler um Judyta Nowak von der Universität Breslau. In ihrer Studie untersuchten sie, ob größere Männer effektivere Immunfunktionen haben, die letztlich auf besseren Genen beruhen. Es beteiligten sich 96 gesunde junge Männer aus Breslau und Umgebung. Zum Vergleich wurden auch 97 gleichaltrige Frauen als Testpersonen in die Studie aufgenommen. Zur Bewertung der Qualität des angeborenen Immunsystems prüften die Forscher die Funktion des Komplementsystems und der neutrophilen Granulozyten sowie die Produktion reaktiver Sauerstoffverbindungen. Messwerte zur Effizienz des erworbenen Immunsystems ergaben sich aus der Zahl verschiedener Lymphozyten und dem Gehalt an Antikörpern im Blut sowie aus der Stärke der Immunantwort nach einer Grippe- und Tetanusimpfung.
Die statistische Auswertung aller Daten lieferte keine Hinweise auf eine Beziehung zwischen Körpergröße und Immunfunktionen. „Das könnte bedeuten, dass in westlichen Industrieländern die Vorliebe von Frauen für große Männer nicht mit ‚guten Immungenen‘ zusammenhängt“, schreiben die Autoren. Andere Studien hätten aber gezeigt, dass sich häufige infektiöse Erkrankungen in der Kindheit negativ auf das Körperwachstum auswirken. In Ländern mit geringem Hygienestandard und schlechter medizinischer Versorgung erkranken Kinder mit schwachem Immunsystem häufiger durch bakterielle und virale Erreger oder Parasiten. Diese Belastung erfordert einen erhöhten Aufwand an Energie, was der Organismus durch geringeres Wachstum ausgleichen könnte. Unter diesen Bedingungen wäre dann die Körpergröße tatsächlich ein Erkennungsmerkmal für gesunde Gene. Die Attraktivität großer Männer könnte also ein Relikt der Evolution sein, das für Menschen heutiger Industriestaaten seine biologische Bedeutung verloren hat. Um diese Hypothese zu bestätigen, so die Forscher, seien nun Studien in Ländern mit unterschiedlichen Lebensstandards nötig.