Vorbild Haut: Kunststoff mit Tastsinn repariert sich selbst
„Das Beste beider Welten“ bescheinigt die Chemie-Ingenieurin Zhenan Bao von der Stanford University ihrem neuen Material: die Heilungseigenschaften von Polymeren und die Leitfähigkeit von Metallen. Das Geheimnis des neuen Materials liegt in der Kombination von Kunststoff mit winzigen Nickelteilchen. Ihr Team nutzte so genannte langkettige Oligomere, verzweigte Makromoleküle, die untereinander dank schwacher Wasserstoffbindungen an den Enden ihrer Arme ein verknäultes Netzwerk bilden. Weil sich die positiv geladenen und die benachbarten negativ geladenen Atomregionen der Enden nur schwach anziehen, sind die Moleküle leicht voneinander zu trennen. Doch bei erneutem Annähern reorganisieren sie sich wieder, so Ko-Autor Chao Wang: „Diese dynamischen Bindungen erlauben dem Material die Selbstheilung.“ Selbst Reiß- und Schnittflächen des biegsamen Kunststoffs fügen sich bei Kontakt wieder aneinander. Dann fügten die Forscher Nanometer große Nickel-Partikel hinzu, um es zu stärken und elektrische Leitfähigkeit von bis zu 40 Siemens pro Zentimeter hinzuzufügen. Die Metallteilchen mit rauer Oberfläche sitzen stabil im Knäuel der Kunststoffmoleküle. Jeder vorspringende Grat und Wulst der Partikel konzentriert dabei elektrische Feldlinien und macht es dem Strom von Elektronen leichter, zum nächsten Partikel zu springen. Während Plastik meist ein Isolator ist, so Bao, „ist dies ein exzellenter Leiter.“
In Tests bewies das Material, dass es nach Schädigungen sowohl seine mechanische Festigkeit als auch seine elektrische Leitfähigkeit rasch wieder herstellen konnte. Ein dünner Streifen des schwarzen Kunststoffs, per Skalpell komplett zweigeteilt, hatte bereits nach wenigen Sekunden des Zusammenpressens wieder 75 Prozent seiner ursprünglichen Stärke und nach 15 Sekunden rund 90 Prozent seiner Leitfähigkeit erreicht. Binnen 10 Minuten war es mechanisch, binnen 30 Minuten elektrisch nahezu komplett wieder hergestellt. Und selbst wiederholte Zerstörung an derselben Stelle rief keine nennenswerten Strukturschäden hervor: Auch nach dem fünfzigsten Zerschneiden und Zusammenfügen hielt der Streifen einem Verbiegen und Dehnen stand, als wäre nichts geschehen.
Dabei beeinträchtigen die Nickel-Partikel den Heilungsprozess zwar etwas, erklären die Forscher, denn sie hindern die Wasserstoffbindungen geringfügig am Wiederverbinden. Auf der anderen Seite verleihen die metallischen Teilchen der künstlichen Haut aber ihre Tastfähigkeit: Weil sie im Netzwerk in sehr regelmäßigen Abständen eingebettet sind, ist klar messbar, welche Energie die Elektronen für den Sprung zum nächsten Teilchen benötigen. Wird der Kunststoff nun gedehnt, gedrückt oder verdreht, so verändert sich der Abstand der Metallpartikel zueinander, was sich in feinen Veränderungen des elektrischen Widerstands widerspiegelt. Darin sehen Bao und Kollegen eine ideale Voraussetzung für den Einsatz an lebensähnlichen Prothesen und weichen Roboter-Elementen. Doch auch als Herzstück von Drähten oder elektronischen Bauteilen könnte sich das Material bei Schäden selbst reparieren – besonders, wenn sie in sehr unzugänglichen Ecken verbaut sind. Im nächsten Schritt soll der neue Kunststoff nun mithilfe anderer Nanopartikel noch weicher und vor allem transparent werden. Wenn dies gelingt, könnte er auch als tastempfindliche Schutzschicht von Bildschirmen, Verpackungen oder elektronischen Baugruppen dienen.
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