Vogelzug: Lernen von den Alten

„Wir konnten hier den Lebensverlauf individueller Tiere betrachten und zeigen, dass Lernen über viele Jahre stattfindet“, sagt Thomas Müller von der University of Maryland in College Park. Andere Studien zum Vogelzug seien dagegen etwa bei kurzlebigeren Arten wie Singvögeln durchgeführt worden oder basierten auf dem Vergleich von Jungtieren und erfahrenen Artgenossen. Müller und seine Kollegen hatten die Gelegenheit, Schreikraniche (Grus americana) zu beobachten, die in einem großen Projekt in Gefangenschaft aufgezogen wurden, um ausgewildert zu werden. Auf dem ersten Vogelzug in Freiheit - von Wisconsin nach Florida - folgten die Jungvögel dann nicht etwa Artgenossen, sondern einem Ultraleichtflugzeug. Erst dann waren sie auf sich gestellt und zogen fortan in Gruppen mit anderen Vögeln. Dabei wurden sie aber von den Forschern mit technischen Hilfsmitteln weiterhin beobachtet. Insgesamt konnten sie für ihre Analysen so Daten aus acht Jahren Beobachtung nutzen.
Dabei stellten sich heraus: Die älteren und erfahrenen Vögel wiesen den Jungspunden den Weg. Im Schnitt wichen ein Jahr junge Kraniche, die mit älteren Vögeln auf die Reise gingen, deutlich weniger vom Kurs ab, als wenn sie in einer Gruppe mit Gleichaltrigen unterwegs waren. War der älteste Vogel in einer Gruppe nur ein Jahr alt, kamen die Tiere rund 76 Kilometer von der direkten Route ab. War dagegen der älteste Mitreisende acht Jahre alt, waren es nur etwa 47 Kilometer. Nach etwa sieben Jahren Erfahrung hatten die Vögel die Genauigkeit ihrer Route demnach um zirka 38 Prozent verbessert.