Vogelgesang wirkt auf Vögel wie Musik auf Menschen

Weibliche Weißkehlammern reagieren auf Balzgesang wahrscheinlich mit ähnlichen Gefühlen wie Menschen auf Musik
Die Weißkehlammer (Zonotrichia albicollis) ist ein nordamerikanischer Singvogel.
Die Weißkehlammer (Zonotrichia albicollis) ist ein nordamerikanischer Singvogel.
© Cephas / Creative Commons (CC BY-SA 3.0), http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de
Atlanta (USA) - Angenehme Musik aktiviert im menschlichen Gehirn Nervenzellen, die Glücksgefühle auslösen. Ganz ähnliche Hirnreaktionen lassen sich bei weiblichen Singvögeln nachweisen, wenn sie dem Balzgesang eines Männchens lauschen, berichten amerikanische Biologinnen. Ihre Untersuchungen an Weißkehlammern bestätigen, dass Vogelgesang und Musik vergleichbare akustische Signale sind, die auf das Belohnungszentrum des Empfängergehirns wirken können. Bei männlichen Ammern dagegen aktivierte der Gesang eines Rivalen ganz andere Hirnregionen. Das wiederum entspricht den Abläufen im Gehirn des Menschen beim Hören unangenehmer Musik, schreiben die Forscherinnen im Fachblatt „Frontiers of Evolutionary Neuroscience“.

„Vogelgesang ist ein Signal. Das heißt, er erzeugt eine Reaktion im Empfänger. Frühere Studien sind diesem wichtigen Gesichtspunkt nicht nachgegangen“, sagt Donna Maney von der Emory University in Atlanta. Zusammen mit Sarah Earp untersuchte sie, wie der Gesang der männlichen Weißkehlammer (Zonotrichia albicollis) im Gehirn von weiblichen und männlichen Artgenossen verarbeitet wird. Die für derartige Fragestellungen beim Menschen eingesetzten Hirn-Scans sind für das winzige Vogelgehirn nicht geeignet. Daher diente zum Nachweis einer erhöhten Aktivität im mesolimbischen Belohnungszentrum die verstärkte Produktion bestimmter Proteine in Zellen dieser Hirnregion. Diese Proteine wurden in Gewebeschnitten sichtbar gemacht.

Einem Teil der weiblichen Vögel verabreichten die Forscherinnen das Sexualhormon Östradiol, dessen Blutspiegel in der Brutzeit natürlicherweise ansteigt. Nur die so behandelten Weibchen reagierten auf den Gesang eines Männchens mit aktivierten Hirnzellen im Belohnungssystem. Männchen zeigten diese Reaktion nicht. Bei Männchen mit hohem Testosteronspiegel war dagegen verstärkt eine Hirnregion in der Amygdala aktiv, wenn sie sich das Lied eines anderen anhören mussten. Eine vergleichbare Hirnaktivität sei typisch bei Menschen, die eine unangenehme oder Angst einflößende Musik hörten, so die Autorinnen.

Auf Ähnlichkeiten von Vogelgesang und Musik haben frühere Untersuchungen bereits hingewiesen. Zu den gemeinsamen Merkmalen zählen die musikalische Struktur von Variation und Rhythmus, sowie die Tatsache, dass die Technik erlernt werden muss und das Endprodukt sowohl individuelle als auch geographische Unterschiede aufweist. Die neuen Ergebnisse zeigen, dass Vogelgesang und Musik im jeweiligen Empfänger wahrscheinlich ähnliche Gefühle auslösen können. Dabei werden Nervenbahnen und Hirnregionen aktiviert, die einen für Mensch und Vogel gemeinsamen evolutionären Ursprung haben. Allerdings seien beim Menschen zusätzlich mehrere Teile der Großhirnrinde an der Musikrezeption beteiligt, für die es keine Entsprechung bei Vögeln gibt, sagt Earp. Daher wäre es interessant, auch die Wirkung von Walgesängen zu analysieren, die ebenfalls erlernt werden und eine musikalische Struktur zeigen. Die Hirnanatomie der Meeressäuger lasse sich viel besser mit der des Menschen vergleichen.

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