Verträgliche Immuntherapie: Krebsmittel wirken nur im Tumor

Immobilisierung injizierter Zytokine ermöglicht höhere Dosierung und verringert Schäden in anderen Regionen des Körpers
Mäuse mit Melanom: links unbehandelt, rechts nach Behandlung mit Zytokin-Lumican
Mäuse mit Melanom: links unbehandelt, rechts nach Behandlung mit Zytokin-Lumican
© Noor Momin
Cambridge (USA) - Bestimmte Botenstoffe aus der Gruppe der Zytokine können die Immunabwehr aktivieren und so die Bekämpfung von Krebszellen verstärken. Bisher ist ihr therapeutischer Einsatz aber kaum möglich, da sie auch gesundes Gewebe zu stark schädigen. Doch jetzt ist es amerikanischen Medizinern gelungen, die Wirkung zweier Zytokine nach Injektion in einen Tumor lokal zu begrenzen und dadurch höhere Dosierungen bei geringeren Nebenwirkungen zu ermöglichen. Die beiden Zytokine Interleukin-2 (IL-2) und Interleukin-12 (IL-12) wurden mit einem Protein fusioniert, das sich an Kollagene anlagert, die als Bestandteil des Bindegewebes auch in allen Tumorarten vorkommen. Die in dieser Form in einen Tumor injizierten Botenstoffe blieben im Krebsgewebe haften und breiteten sich nicht mehr im ganzen Körper aus. Eine solche Zusatzbehandlung erhöhte bei Mäusen den Erfolg einer Immuntherapie gegen tödliche Melanome beträchtlich, berichten die Forscher im Fachblatt „Science Translational Medicine“. Ihre Methode sei ein einfaches und bei allen Tumortypen einsetzbares Verfahren, das die Wirksamkeit von Immuntherapien erhöht.

„Wir hoffen, dass unsere Arbeit dazu anregt, verschiedene Tumortherapien zu entwickeln, die sich die Andockfunktion von Kollagen für Krebsmedikamente zunutze machen“, sagt Erstautor Noor Momin aus der Arbeitsgruppe von Dane Wittrup am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge. Die Forscher versuchten, die Einsatzmöglichkeit der immunstimulierenden Zytokine IL-2 und IL-12 für die Krebstherapie zu verbessern. Beide Botenstoffe waren zwar schon erfolgreich in klinischen Studien getestet worden (IL-2 ist in den USA bereits für die Behandlung zugelassen), doch die starken Nebenwirkungen verhinderten die klinische Verwendung. Das Ziel bestand nun darin, die Wirksamkeit der Interleukine zu steigern und gleichzeitig die Schädigung gesunder Gewebe zu verringern.

Für ihr Vorhaben nutzten die Forscher das im Bindegewebe enthaltene stabile Protein Lumican, das die Eigenschaft hat, sich an die Molekülketten zweier Typen von Kollagenen anzulagern. Der Kollagengehalt unterschiedlicher Tumore schwankt nach Angaben der Autoren zwischen unter 3 und etwa 20 Prozent. Die Wissenschaftler koppelten jeweils eines der beiden Interleukine über ein Brückenprotein an Lumican und injizierten dieses Konstrukt in Melanome, das sind Hautkrebstumore, von Mäusen. Zusätzlich wurden die Tiere mit einer Immuntherapie gegen Krebs behandelt. Diese bestand entweder im Einsatz von Antikörpern gegen Tumorzellen, in einer Krebsimpfung oder in der Verabreichung sogenannter Immuncheckpoint-Inhibitoren. Sämtliche Mäuse, die keine Zusatzbehandlung mit den Zytokin-Präparaten erhielten, starben. Mit der Kombinationstherapie überlebten bis zu 90 Prozent.

Wenn freie Interleukine in einen Tumor injiziert werden, ist schon nach wenigen Stunden ein großer Anteil der Wirkstoffe im Blutstrom nachweisbar, so dass es zu starken Nebenwirkungen kommt. Durch die Verankerung im Kollagen des Tumors wird eine länger andauernde hohe und damit wirksamere Konzentration nur im Krebsgewebe erreicht. Nun wollen die Forscher die optimale Dosis für die Zytokinbehandlung ermitteln, um die Effizienz ihrer Therapie noch weiter zu verbessern. Sie vermuten, dass durch Bindung an das Kollagen des Tumors mit Hilfe von Lumican möglicherweise auch die Wirksamkeit anderer Krebsmedikamente gesteigert werden kann.

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