Urin betriebenes Roboterherz

Von der Natur inspiriertes System aus Pumpe und Brennstoffzelle kann dank künstlicher Herzmuskeln autark arbeiten
Auch in der äußeren Form ähnelt die vom Herz inspirierte Pumpe seinem Vorbild
Auch in der äußeren Form ähnelt die vom Herz inspirierte Pumpe seinem Vorbild
© Bristol Robotics Laboratory
Bristol (Großbritannien) - Je schlichter und weniger anfällig die Technik, desto unabhängiger können künftige Roboter ihrer Arbeit nachgehen. Einen weiteren Schritt in diese Richtung haben jetzt britische Forscher präsentiert und ersetzen fehleranfällige mechanische Pumpen. Sie nahmen das menschliche Herz zum Vorbild. Dank eines Memory-Metalls, das sich bei Temperaturwechsel gezielt verformt, kann ihr autarkes System verlässlich Flüssigkeiten pumpen, berichten die Forscher im Fachblatt „Bioinspiration & Biomimetics“. Sie planen den Einsatz in ihrem neuesten „EcoBot“ – einer Reihe selbstständig arbeitender Roboter, die ihre Energie aus organischem Abfall beziehen. Der Clou daran: Pumpt das „Roboterherz“ Urin als Flüssigkeit, so entsteht in Kombination mit einer Mikrobiellen Brennstoffzelle (MFC) ein energetisch autonomes System. Doch auch in der Medizin oder Industrie könnte diese Technik zum Einsatz kommen – als geräuschloser, weniger störanfälliger Pumpantrieb.

„Der künstliche Herzschlag ist mechanisch simpler als konventionelle elektrisch betriebene Pumpen, weil er für den Pumpvorgang künstliche Muskelfasern nutzt – statt eines Motors, einer komplexen mechanischen Anordnung“, erklärt Peter Walters von der University of the West of England. Am dortigen „Bristol Robotics Laboratory“ arbeitet das Team um Ioannis Ieropoulos bereits an der fünften Generation von Öko-Robotern, die autonom an unzugänglichen oder für Menschen gefährlichen Stellen arbeiten können. Als Energiequelle nutzen sie Jauche und Abwasser, verrottendes Obst und Gemüse oder auch Urin. Dieser Biomüll muss in flüssiger Form zur Brennstoffzelle gepumpt werden, wo lebende Mikroorganismen daraus schwachen elektrischen Strom generieren. Da die bisher genutzten Motorpumpen nicht selten blockieren oder kaputt gehen, suchte die Forschergruppe eine zuverlässigere, schlichtere Alternative.

Sie orientierte sich an der Physik des Herzens, an „einem der elegantesten Mechanismen in der Natur“, der schon Leonardo da Vinci fasziniert habe. Die Muskeln des hohlen Organs pumpen Blut mit regelmäßigen rhythmischen Kontraktionen durch den Körper: Die Muskeln ziehen sich zusammen und pressen die Flüssigkeit aus dem Herzen heraus in die Arterien – dann entspannen sie sich, der Hohlraum vergrößert sich wieder und saugt dabei neues Blut aus den Venen ein. Dabei verhindern mehrere Einweg-Ventile – die Herzklappen – ein Fließen in die falsche Richtung. Walters und Kollegen konstruierten nach demselben Prinzip einen flexiblen Hohlraum aus Silikon-Elastomer samt Zu- und Abfluss und Einweg-Kugelventilen. Für die Kontraktionen sorgt ein Paar künstlicher Muskeln aus Memory-Metall, einer Nickel-Titan-Legierung. Sie zieht sich zusammen, wenn ein elektrischer Stromfluss sie erwärmt, und dehnt sich beim Abkühlen wieder aus.

Als rund 30 Millimeter lange, dünne Klammern umgreifen sie den dünnwandigsten Bereich der 24,5 Milliliter fassenden „Herzkammer“. Liefert die Brennstoffzelle nun Strom, so verringern die schrumpfenden Klammern das Volumen des Hohlraums und pressen Flüssigkeit hinaus – gerade genug, um einen Stapel aus 24 Mikrobiellen Brennstoffzellen mit neuem Rohmaterial zu versorgen. Dort wird wiederum ausreichend elektrische Energie für den nächsten Zyklus erzeugt und in einem Kondensator gespeichert. Währenddessen dehnen sich die Klammern, wieder stromlos, zur ursprünglichen Länge und Form. Unterstützt von einer Feder, sorgt dies für den nötigen saugenden Unterdruck. In einer Reihe von Tests zeigten die Forscher, dass ihr „künstlicher Herzschlag-Antrieb“ alle Erwartungen als Flüssigkeitslieferant erfüllt.

Derzeit arbeiten sie bereits daran, ihn effizienter, leistungsfähiger und kompakter zu machen. Denkbar ist auch sein Einsatz in der Industrie oder im medizinischen Bereich: etwa als lautlose Pumpe für Kühlanlagen oder als Medikamentenpumpe am oder im Körper. Konkret soll das System aber die Öko-Roboter aus Bristol befeuern. Diese tragen diverse Sensoren an Bord, um beispielsweise Luftqualität, Temperatur oder Feuchtigkeit zu messen. Dabei sind sie mobil und können drahtlos kommunizieren, berichten Walters und Kollegen – als Sensorennetzwerk untereinander ebenso wie mit einer Basisstation. Das Modell EcoBot III war der erste Roboter mit komplett autonomer Energieversorgung, von der Rohstoffaufnahme bis zur Entsorgung des Restabfalls. Am besten funktioniert dies mit flüssigem Rohstoff, so der Forscher: „In städtischer Umgebung könnten sie mit Urin aus öffentlichen Toiletten auftanken, auf dem Land aus dem Abwasser von Bauernhöfen.“

Hintergrund Mikrobielle Brennstoffzelle (MFC):
Manche Mikroorganismen können beim Verdauen biologischer Rohmasse in einer elektrochemischen Zelle Strom erzeugen. Dazu lagern sie in Form eines Biofilms in der Anodenkammer der zweiteiligen Brennstoffzelle. Von der benachbarten Kathodenkammer trennt sie eine Ionen-selektive Membran. Sie ernähren sich aus der nährstoffreichen Flüssigkeit, die sie umspült, beispielsweise Urin, und erzeugen dabei Elektronen. Diese wandern über die Anode und den anliegenden Stromkreis zur Kathode. Gleichzeitig lässt die Membran positiv geladene Ionen direkt in die Kathodenkammer. Elektronen und Protonen reagieren dort in Gegenwart eines Oxidationsmittels und komplettieren den Ablauf.

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