Unterschätzt: Singvögel fliegen flotter als vermutet

Vor allem im Frühling legen sie in kürzester Zeit weite Strecken zurück - im Herbst machen sie dagegen eine ausgedehnte Zwischenlandung
Ein mit einem Positionsmessgerät ausgestattetes Walddrossel-Männchen füttert seine Jungen
Ein mit einem Positionsmessgerät ausgestattetes Walddrossel-Männchen füttert seine Jungen
© Elizabeth Gow
Toronto (Kanada) - Singvögel sind bei ihren jahreszeitlichen Wanderungen mitunter wohl um einiges flotter unterwegs als gedacht. Bisherige Schätzungen lagen bei einer Strecke von annähernd 150 Kilometer am Tag. Tatsächlich können die Tiere aber sogar weit mehr als 500 Kilometer täglich bewältigen, zeigt nun ein Team kanadisch-amerikanischer Biologen. Wie sie mithilfe winziger Positionsmessgeräte die Wanderungen zweier Singvogelarten nachvollziehen konnten, berichten die Forscher in "Science". Vor allem im Frühling auf dem Rückflug in den Norden legen Singvögel noch einen Zahn zu. Sie sind dann zwei- bis sechsmal schneller als im Herbst, belegen die Daten.

"Die Rückkehrzeiten der Vögel im Frühling haben uns verblüfft", erklärt Bridget J. M. Stutchbury von der York University in Toronto. "Einen Vogel zu haben, der Brasilien am 12. April verlässt und am Ende des Monats zu Hause ist, war einfach erstaunlich. Wir haben immer angenommen, sie fliegen irgendwann im März los." Die Biologen in Nordamerika hatten 14 Walddrosseln (Hylocichla mustelina) und 20 Purpurschwalben (Progne subis) 2007 vor dem Flug in den Süden mit kleinen, nicht einmal 10-Cent-Stück großen Positionsmessgeräten ausgestattet, die über einen Lichtsensor die Uhrzeiten von Sonnenauf- und Sonnenuntergang registrierten. Im Frühling 2008 konnten die Forscher die Geräte von fünf Walddrosseln und zwei Purpurschwalben wieder auffinden, anhand der gesammelten Daten die Positionen der Singvögel während der vergangenen Monate in Längen- und Breitengraden bestimmen und so deren Reisen nachvollziehen.

Die Vögel waren überraschend schnell unterwegs, vor allem im Frühling, zeigten die Daten. So brachte etwa ein Purpurschwalben-Weibchen eine Strecke von 7500 Kilometern in nur 13 Tagen hinter sich. An neun Tagen war die Vogeldame auf dem Flug, an vier Tagen machte sie eine Zwischenlandung. Auch die Walddrosseln bewältigten den Rückflug in den Norden zu ihren Brutplätzen in 13 bis 15 Tagen, zeigten die Daten. Im Herbst ließen sich die Vögel deutlich mehr Zeit, legten einen ausgedehnten Zwischenstopp auf der Yucatan-Halbinsel ein.

Damit ergibt sich durch die zum Teil von der National Geographic Society unterstützte Studie ein ganz neues Bild des Vogelzugs von Singvögeln. So hatten Biologen die Reisegeschwindigkeit im Frühling bislang auf maximal 150 Kilometer am Tag geschätzt. Bisherige Untersuchungen konnten in der Regel allerdings hauptsächlich lediglich kurze Ausschnitte aus den Reisen dokumentieren. Die nun gesammelten Daten belegen darüber hinaus, dass die Vögel im Süden ein recht begrenztes Gebiet bevölkern. Auch diese Gegenden gezielt zu schützen, sollte beim Artenschutz bedacht werden.

(c) Wissenschaft aktuell
Quelle: "Tracking Long-Distance Songbird Migration by Using Geolocators", Bridget J. M. Stutchbury et al.; Science (Vol. 323, S. 896)


 

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