Unter Hochdruck – Supraleiter bei Raumtemperatur

Kohlenstoffhaltiges Schwefelhydrid leitet in einer Diamantstempelzelle elektrischen Strom ohne Widerstand
Aufbau des Hochdruckexperiments für heiße Supraleiter.
Aufbau des Hochdruckexperiments für heiße Supraleiter.
© Adam Fenster
Rochester (USA) - Supraleiter können elektrischen Strom ohne jeden Widerstand und ohne Verluste leiten. Dennoch werden sie heute noch nicht zur Stromübertragung im großen Maßstab eingesetzt, obwohl sich damit die Leitungsverluste minimieren und viele Kraftwerke einsparen ließen. Denn bisher verfügbare Supraleiter müssen beispielsweise mit flüssigem Stickstoff auf etwa minus 200 Grad Celsius abgekühlt werden, um in den supraleitenden Zustand wechseln zu können. Aber nun stellen amerikanische Physiker in der Fachzeitschrift „Nature“ erstmals einen Supraleiter vor, der bereits bei Raumtemperatur Strom ohne Widerstand leitet. Allerdings gelang dieses Kunststück nur, weil auf das Material – ein kohlenstoffhaltiges Schwefelhydrid – ein immenser Druck in einer Diamantstempelzelle ausgeübt wurde.

„Um einen Supraleiter für hohe Temperaturen zu bekommen, braucht man starke Bindungen und leichte Elemente“, sagt Ranga Dias von der Rochester University. Daher konzentrierte er seine Forschung gemeinsam mit seinen Kollegen auf das leichteste Elemente überhaupt, das zu dem sehr starke chemische Bindungen aufweist: Wasserstoff. Da sich reiner Wasserstoff auch unter Hochdruck nur schwierig in einen metallischen Zustand versetzen lässt, synthetisierten die Forscher eine Schwefelverbindung, die reich an Wasserstoff war und zusätzlich Kohlenstoff enthielt. Dazu pressten sie in der Diamantpresszelle zuerst elementaren Schwefel und Kohlenstoff in einem ausgeglichenen molaren Verhältnis zusammen. Danach ließen sie Wasserstoffgas um diese Probe strömen. Unter Laserlicht setzte ein photochemischer Prozess ein, über den erst Schwefelwasserstoff und danach das kohlenstoffreiche Schwefelhydrid entstand.

Um das Schwefelhydrid in einen Supraleiter zu verwandeln, waren jedoch extrem hohe Drücke nötig. Dias und Kollegen setzten dazu eine winzige Probe des kohlenstoffreichen Schwefelhydrids in eine Diamantstempelzelle. Damit übten sie einen Druck von 267 Gigapascal – das entspricht dem 2,5-millionenfachen des Atmosphärendrucks – aus. Unter diesem Druck wandelten sich die elektronischen Eigenschaften des Materials gravierend. So reichte eine leichte Abkühlung auf gerade mal 15 Grad Celsius aus, um mit dem Schwefelhydrid elektrischen Strom ohne Widerstand zu leiten. Auch ein weiterer Supraleiter-Test, bei dem sich in dem Material keine Magnetfelder mehr ausbreiten können, bestätigte bei etwas geringerem Druck von 189 Gigapascal und dadurch tieferer Sprungtemperatur von minus 75 Grad Celsius die verblüffenden Eigenschaften des Schwefelhydrids. Noch höhere Drücke konnten in diesem Magnetfeld-Versuch experimentell wegen der geringen Probengröße von 25 bis 35 Mikrometern nicht aufgebaut werden.

Dieses Experiment belegt, dass wasserstoffreiche Verbindungen tatsächlich die Grundlage für immer heißere metallische Supraleiter bilden. Zuvor hielt die Arbeitsgruppe um Mikhail Eremets am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz den Temperaturrekord. Ebenfalls in einem Hochdruckexperiment zeigten sie im vergangenen Jahr, dass Lanthanhydrid (LaH10) bei der kritischen Temperatur von minus 23 Grad Celsius und 170 Gigapascal keinen elektrischen Widerstand mehr aufwies.

Für Stromleitungen eignet sich trotz höherer Sprungtemperatur auch das kohlenstoffreiche Schwefelhydrid noch nicht. Denn technisch können derart hohe Drücke nur auf kleine Proben in Diamantstempelzellen realisiert werden. Doch Dias ist optimistisch, mit seinen wasserstoffreichen Verbindungen auf dem richtigen Weg sein. Über veränderte Zusammensetzungen der Hydrid-Verbindungen hofft er, sich einem Supraleiter bei Raumtemperatur und gleichzeitig bei immer geringeren Drücken annähern zu können. Sollte dies gelingen, locken nicht nur verlustfreie Stromleitungen. Auch für sehr schnelle Magnetschwebebahnen, leistungsfähigere Kernspintomographen und sogar spezielle Quantencomputer-Typen könnten solche heißen Supraleiter eingesetzt werden.

© Wissenschaft aktuell


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg