Ungewöhnlicher Vergleich - Apfel vs. Cholesterinsenker

Mit einer Prise Humor gewürzte Modellrechnungen legen nahe: Statine könnten die Zahl der Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauferkrankungen zwar geringfügig effektiver senken als das Obst, haben aber auch mehr Nebenwirkungen
Äpfel sind zweifelsohne gesund.
Äpfel sind zweifelsohne gesund.
© C. Dick-Pfaff
Oxford (Großbritannien) - „An apple a day keeps the doctor away“ – Täglicher Apfelkonsum könnte in der Tat beinahe genauso viele Todesfälle durch Gefäßerkrankungen verhindern wie die Einnahme moderner Cholesterin senkender Medikamente, sogenannter Statine. Das legen zumindest Modellrechnungen nahe, die britische Forscher mit einem Augenzwinkern in der humoristisch angehauchten Weihnachtsausgabe des „British Medical Journal” präsentieren. Auch wenn es sich lediglich um rein theoretische Rechnungen zur flächendeckenden Verordnung von Äpfeln beziehungsweise Statinen handelt, fußen die Kalkulationen dennoch auf den Ergebnissen von Studien zu den jeweiligen gesundheitsfördernden Auswirkungen. Jedenfalls stellen die Wissenschaftler dies glaubwürdig dar. Der althergebrachte Apfel wäre ihren Ausführungen zufolge alles in allem tatsächlich in etwa genauso gut für die Gefäßgesundheit innerhalb der Bevölkerung wie moderne Cholesterinsenker – und das ganz ohne Nebenwirkungen. Die Wissenschaftler warnen allerdings ausdrücklich, und das meinen sie sicher ernst: Niemand, der bereits vom Arzt verschriebene Statine einnimmt, sollte die Medikamente eigenmächtig absetzen und durch Äpfel ersetzen.

„Sowohl auf der Ernährung als auch auf Medikamenten basierende Ansätze zur Vorbeugung von Gefäßerkrankungen könnten das Potenzial haben, die Sterblichkeit signifikant zu reduzieren“, schreiben Adam Briggs von der University of Oxford und seine Kollegen. „Ein 150 Jahre alter Gesundheitsratschlag ist aufgrund ähnlicher Senkungen der Sterblichkeit in der Lage, der modernen Medizin zu entsprechen und hat dabei wahrscheinlich weniger Nebenwirkungen.“ Die Forscher hatten am Beispiel der britischen Bevölkerung ausführliche Modellrechnungen dazu unternommen, welche Sterblichkeit aufgrund von Gefäßerkrankungen unter zwei verschiedenen Bedingungen zu erwarten wäre: einerseits, wenn jeder Bürger jenseits der 50, der noch keine Statine einnimmt, welche verschrieben bekommt – andererseits, wenn jeder Bürger jenseits der 50 täglich einen Apfel isst. Es ging also um Todesfälle, die eindeutig mit der Gefäßgesundheit verbunden sind, etwa durch Herzinfarkt oder Schlaganfall.

In beiden theoretischen Szenarien gingen Briggs und seine Kollegen davon aus, dass 70 Prozent der Leute der Medikamentengabe folgen beziehungsweise dem Ernährungsratschlag auch tatsächlich nachkommen. Ihre Berechnungen der voraussichtlichen Wirkung von Statinen beziehungsweise von Äpfeln auf die Gesundheit von Herz und Kreislauf beruhten dabei auf den Ergebnissen von Studien, die sich mit der jeweiligen Thematik befasst hatten. Die mit einer Prise Humor gewürzten Kalkulationen ergaben: Die flächendeckende Gabe von Statinen würde die Zahl der jährlichen Todesfälle aufgrund von Gefäßkrankheiten rein rechnerisch um 9.400 senken, der tägliche Apfel auf jedermanns Speiseplan um 8.500.

Zwar erweisen sich die Medikamente als ein wenig effektiver, sie bringen allerdings auch mögliche Nebenwirkungen mit sich. So kann die Einnahme von Statinen beispielsweise nicht nur mit dem Auftreten bestimmter Muskelerkrankungen einhergehen, sondern auch mit einem Diabetes vom Typ 2. Diese Erkrankungen bedürften wiederum weiterer Behandlung. Ähnliche Probleme sind bei Äpfeln wohl kaum zu erwarten. „Für erhöhten Apfelkonsum wurden keine Nebenwirkungen berechnet“, schreiben die Forscher und fügen mit typisch britischem Humor hinzu: „Abgesehen von Stress verursacht durch eine Druckstelle am Apfel und dem theoretischen Risiko, einen halben Wurm im Inneren zu finden, sind Nebenwirkungen im Zusammenhang mit Äpfeln nicht großartig bekannt.“ Allergikern empfehlen sie, zu einer anderen Obstsorte zu greifen, die ähnliche gesundheitsfördernde Wirkung hat, aber weniger allergen ist.

Traditionell werden in der Weihnachtsausgabe des British Medical Journal Studien vorgestellt, die zwar einen mehr oder weniger wissenschaftlichen Hintergrund haben, aber mit einem Augenzwinkern zu lesen sind. Doch ganz aus der Luft gegriffen sind die humorvollen Berechnungen der Briten nicht: Zahlreiche Studien legen tatsächlich nahe, dass die Ernährung eine Rolle für die Gesundheit von Herz und Gefäßen spielt. Äpfel gehören dabei eindeutig zu den Lebensmitteln mit positiver Wirkung. So zeigt zum Beispiel eine Untersuchung, die US-Forscher 2011 auf einer Tagung vorstellten, dass Apfelringe eine sehr gesunde Nascherei sind: Nur 75 Gramm der getrockneten Äpfel täglich wirkten sich bei Frauen nach den Wechseljahren schon nach einem halben Jahr bemerkenswert positiv auf die Blutfettwerte aus. „Bei den Apfel essenden Frauen fanden innerhalb von sechs Monaten unfassbare Veränderungen statt“, erklärte Bahram H. Arjmandi von der Florida State University. „Bei ihnen sank der LDL-Cholesterin-Wert um 23 Prozent. Ich hätte niemals erwartet, dass der Verzehr von Äpfeln das schlechte Cholesterin in diesem Ausmaß reduzieren würde, während das HDL-Cholesterin, oder gute Cholesterin, um rund 4 Prozent ansteigt.“

Arjmandi und seine Kollegen hatten für ihre damalige Untersuchung 160 Frauen im Alter zwischen 45 und 65 Jahren einer von zwei Gruppen zugeteilt. Während die einen ein Jahr lang zusätzlich zu ihrer ganz normalen Ernährung täglich 75 Gramm getrocknete Äpfel erhielten, bekamen die anderen Trockenpflaumen statt der Äpfel. Zu Beginn der Studie sowie nach drei, sechs und zwölf Monaten nahmen die Forscher Blutproben und bestimmten daraus eine Reihe von Blutwerten. Bereits nach sechs Monaten fanden sich bei den Probandinnen der Apfelgruppe deutlich günstigere Cholesterinwerte. Darüber hinaus nahmen diese Frauen trotz der zusätzlichen Kalorien durch den von Natur aus zuckerhaltigen Apfelsnack im Durchschnitt etwa 1,5 Kilogramm ab.

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