Und vergib uns unsere Sünden

Was Pilger und Kreuzfahrer im 11. und 12. Jahrhundert bewog, nach Jerusalem zu reisen, hat jetzt ein Bochumer Forscher durch die Analyse von Pilger-Testamenten herausgefunden
Mittelalterliche Karte von Jerusalem, die auf apokalyptischen Beschreibungen einer runden Stadt fußt.
Mittelalterliche Karte von Jerusalem, die auf apokalyptischen Beschreibungen einer runden Stadt fußt.
© Ruhr-Universität Bochum
Bochum - Außer den Kreuzfahrern, von denen viele wirklich auf Eroberung aus waren, gab es im Hochmittelalter auch zahlreiche Pilger, die die beschwerliche Reise nach Jerusalem auf sich nahmen. Was trieb diese Menschen - Männer wie Frauen - an, ihre Heimat zu verlassen? Ein Bochumer Mittelalter-Historiker hat jetzt Testamente dieser Pilger untersucht, wodurch er wertvolle Aufschlüsse über die Beweggründe und die soziale Herkunft der Pilger gewann. Das Hauptmotiv war, möglichst einen Sündenablass zu erreichen, wodurch man auf einen Eingang ins Himmelreich nach dem Tod hoffen durfte.

"Weil es aufgrund unserer Beschaffenheit keinem Menschen möglich ist, den Tod zu vermeiden, gehe ich, Albert Ponç, um das Heilige Grab zu Jerusalem zur Vergebung meiner Sünden zu besuchen und anzubeten", schrieb am 20. Juni 1130 zum Beispiel ein vermögender Barceloneser Hausbesitzer. Den Ablass hat Nikolas Jaspert von der Universität Bochum als Hauptgrund für die beschwerliche Reise ausgemacht. Auch eine starke Christusverehrung zu dieser Zeit spielte eine Rolle. "Vielleicht liegt das am starken Wachstum der Städte und des Reichtums zu dieser Zeit", mutmaßt Jaspert. "Das bedingte durchaus auch ein schlechtes Gewissen – immerhin heißt es 'Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als dass ein Reicher in den Himmel kommt'. Dadurch tritt der 'arme Christus' in den Mittelpunkt des Interesses."

Die Quellen für seine Recherchen fand der Historiker vor allem in Katalonien, da dort eine auf römischer Tradition fußende starke Schriftkultur vorherrschte. Hier haben sich rund 200 Testamente erhalten, auf Pergament meist in lateinischer Sprache geschrieben. Teilweise sind sie noch unerforscht. "Die soziale Bandbreite der Pilger war recht groß", sagt Jaspert. Hinweise auf die Person des potentiellen Erblassers geben zu vererbende Gegenstände. Geht es um eine Truhe mit Schuhen, könnte es sich um einen Schuster handeln, Bücher deuten auf höhere Bildung hin. Altersangaben gibt es meist nicht. Viele nennen jedoch ihre Gründe für den Aufbruch ins Gelobte Land, wie eben jener Albert Ponç.

Was die Reisenden in Jerusalem erwarteten, entsprach vermutlich nicht der Realität. Die Vorstellung, die die Menschen im mittelalterlichen Europa von Jerusalem hatten, speiste sich aus drei Quellen: Biblische Beschreibungen des Gelobten Landes gingen Hand in Hand mit Ableitungen der Offenbarung des Johannes und Berichten von Zeitgenossen über die echte Stadt Jerusalem und führten zu wenig realistischen Ideen über die örtlichen Gegebenheiten. Zum Beispiel stellte man sich, wie ein Bild aus jener Zeit zeigt, Jeurusalem als kreisrunde Stadt vor.

Ob die Pilger aus Jerusalem zurückkehrten, bleibt meist im Dunkeln. "Vielleicht sind einige Pilger zurückgekommen und haben noch zwanzig Jahre lang gelebt. Andere sind wahrscheinlich auf der Reise umgekommen. Manche werden in Jerusalem geblieben sein", vermutet Jaspert. Immerhin fanden die Reisenden im 12. Jahrhundert eine Stadt vor, in der die Christen Herrscher und in der Siedler willkommen waren. Die Freiheiten waren, auch für Frauen, größer als im Heimatland; sicher natürlich auch die Gefahren.

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Quelle: "Was die Kreuzfahrer erwarteten", RUBIN, Wissenschaftsmagazin der Ruhr-Universität Bochum, Frühjahr 2010


 

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