Umstritten, einflussreich, viel gelesen - vor 400 Jahren erschien die King-James-Bibel

Vor 400 Jahren wurde die King-James-Bibel veröffentlicht - die anglikanische Alternative zur calvinistischen Genfer Bibel. Obgleich zunächst unter den englischen Protestanten nicht unumstritten, wurde sie - nicht zuletzt wegen ihrer kraftvollen Sprache - zum meistgelesenen und meistverbreiteten Buch der englischen Sprache. Die Cambridge University Library widmet ihr jetzt eine Ausstellung (bis Juni 2011)
Cover der Erstausgabe der King-James Bibel von 1611
Cover der Erstausgabe der King-James Bibel von 1611
© Wikipedia / Public Domain
Cambridge (Großbritannien) - Fast 100 Jahre nach der Reformation entstand in England eine Bibel, die in der angelsächsischen Welt Maßstäbe setzte und bis heute ihren Einfluss auf das kulturelle Leben nicht verloren hat. Doch warum erschien sie so spät? Eine der Hauptforderungen, die sich aus der Reformation ergaben, war ja eine Bibelübersetzung in die Sprache des Volkes. "Sola scriptura" - 'allein aus der (Heiligen) Schrift', wie es Martin Luther formuliert hatte, sollte das Heil vermittelt werden. Während in der römisch-katholischen Kirche im Konzil von Trient (1545-1563) noch einmal bekräftigt wurde, dass die richtige Auslegung der Bibel nur durch die kirchliche Autorität erfolgen könne, waren sich protestantische Theologen aller Richtungen von Anfang an darin einig, dass jedermann die Bibel in seiner Muttersprache zur Verfügung stehen müsse. In allen evangelisch gewordenen Ländern und Regionen wurden daher ab der Reformationszeit Bibelübersetzungen zu einer absoluten Notwendigkeit. In Deutschland gab es die Lutherübersetzung (vollständig 1534), in der französischsprachigen Schweiz gab es die Bible de Genève (1535), die calvinistisch geprägt war. Diese Bibel wurde ins Englische übersetzt und firmierte in England unter der Bezeichnung Genfer Bibel (1557). So einig man sich in der evangelischen Theologie auch war, dass es Bibeln in den Volkssprachen geben müsse, so sehr zankte man sich um - die Fußnoten. In den Fußnoten und Anmerkungen zu den Bibelversen konnte nämlich die jeweilige theologische Position zum Ausdruck gebracht werden.

König Jakob I. (engl. King James) wollte als Anglikaner die alten katholischen Elemente nicht allesamt über Bord werfen, sondern nur reformieren. Die Genfer Bibel, die calvinistisch geprägt war, fand er zu radikal und gab daher 1604 eine neue Bibelübersetzung in Auftrag. Für die Übersetzung verlangte er unter anderem, dass Fußnoten nur zur Worterklärung genutzt würden, dass die einzelnen übersetzten Kapitel die Zustimmung des ganzen Übersetzer-Teams finden müsse und dass bei weiter bestehenden Uneinigkeiten weitere Gelehrte hinzugezogen werden müssten.

"Das Entscheidende an dieser Übersetzung ist, dass sie das Beste aus den Übersetzungen des 16. Jahrhunderts in sich vereinte, das Gute herausfilterte und neue Wendungen prägte, wenn sie besser waren als die alten", sagt Adam Nicholson, der die Ausstellung zur Entstehung der King-James-Bibel in der Cambridge University Library eröffnete. "Die besten Kenner des Hebräischen und Griechischen wurden mit der Aufgabe betraut und sollten das Unmögliche versuchen: äußerste Worttreue, verbunden mit äußerster Klarheit und melodischer Sprache."

Ähnlich wie Luther bei seiner Bibelübersetzung schreckten auch die Gelehrten bei der King-James-Bibel nicht vor plastischen Ausdrücken zurück. So heißt es etwa im Psalm 72:9: "They that dwell in the wilderness shall bow before him; and his enemies shall lick the dust." ("Vor ihm werden sich neigen die in der Wüste, und seine Feinde werden Staub lecken"). Das entspricht der modernen Wendung "ins Gras beißen". Die King-James-Bibel enthält aber auch ganz derbe Vulgarismen, die in anderen Bibelausgaben neutral oder verhüllend übersetzt werden. So heißt es in der Übersetzung des 1. Buches Samuel, Kapitel 25, 22: "So and more also do God unto the enemies of David, if I leave of all that pertain to him by the morning light any that pisseth against the wall." Während auch Luther diese Stelle noch übersetzte mit "Gott tue dies Und noch mehr den Feinden Davids, wo ich diesem bis licht Morgen überlasse einen, der an die Wand pisset, aus allem, das er hat!", setzen spätere Bearbeiter der Luther-Übersetzung für "der an die Wand pisset" ein schamhaftes "einen, der männlich ist". Die King-James-Bibel hat diese Vulgarismen auch in der heute noch gebräuchlichen Version von 1769 bewahrt. Viele dieser Ausdrücke haben sich bis heute in der englischen Sprache erhalten, was aber kaum noch jemandem bewusst ist.

Nach ihrem Erscheinen war die King-James-Bibel noch umstritten. Vor allem die Puritaner hielten weiterhin der alten Genfer Bibel die Treue. Doch schließlich konnte sich die King-James-Bibel mit ihrer teils kraftvollen und teils aber auch poetischen Sprache durchsetzen und in der kulturellen Welt Einfluss gewinnen. So komponierte etwa Georg Friedrich Händel seinen "Messias" auf der Grundlage der King-James-Bibel.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: Ausstellung zur King-James-Bibel in der Cambridge University Library vom 18. Januar bis zum 18. Juni 2011. Näheres unter: The Making of the King James Bible: http://www.lib.cam.ac.uk/exhibitions/KJV/index.html


 

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