Überleben in der Arktis: Spezielle Mutationen im Erbgut der Inuit entdeckt

Mutierte Gene, die den Fettstoffwechsel steuern, ermöglichen fettreiche Ernährung ohne Gesundheitsschäden und verstärken die Produktion von Körperwärme
Die Anpassungen der Inuit an ihren extremen Lebensraum in der Arktis lassen sich im Erbgut nachweisen.
Die Anpassungen der Inuit an ihren extremen Lebensraum in der Arktis lassen sich im Erbgut nachweisen.
© D. Saße, Wissenschaft aktuell
Berkeley (USA) - Die in Grönland lebenden Inuit sind an ein extremes Klima und eine sehr spezielle fettreiche Ernährung angepasst. Diese Anpassung muss auf veränderten Genen beruhen, die im Erbgut anderer Völker nicht vorkommen. Jetzt hat ein internationales Forscherteam Genome von Inuit analysiert und eine Gruppe solcher Gene identifiziert. Die Gene steuern unter anderem die Bildung körpereigener Fette aus Fettsäuren, die als Bestandteil von Fischöl in besonders großen Mengen in der traditionellen Nahrung – Robben, Walrosse und Fische – enthalten sind. Aber nicht die hohe Zufuhr an Omega-3-Fettsäuren, sondern die ungewöhnliche genetische Ausstattung schützt die Menschen vor gesundheitlichen Schäden einer fettreichen Ernährung, berichten die Biologen im Fachjournal „Science“. Das veränderte Fettprofil des Körpers führt auch zu einer verstärkten Produktion von Körperwärme und könnte die Funktion von Wachstumshormonen beeinflussen, was die geringe Körpergröße der Inuit erklären würde.

Diese Arbeit zeige, dass sich menschliche Populationen darin unterscheiden können, wie sie auf spezielle Ernährungsformen reagieren, sagt Rasmus Nielsen von der University of California in Berkeley, einer der leitenden Wissenschaftler des Forscherteams. Das bedeutet, dass das Erbgut darüber entscheidet, welche Nahrung für einen Menschen gesund oder schädlich ist. „Wenn jemand beispielsweise seine Ernährung auf Steinzeitkost umstellt, würde es wohl von seinem Genom abhängen, wie sich das gesundheitlich auswirkt”, sagt Nielsen. So hätte es sehr wahrscheinlich schlimme Folgen, wenn sich Europäer wie die Inuit ernähren würden.

Die Biologen analysierten das Erbgut von 191 Inuit aus Grönland und verglichen die DNA-Sequenzen mit den Genomen von 60 Europäern und 44 Han-Chinesen. Bei fast allen untersuchten Inuit entdeckten sie unter anderem Mutationen in Genen, die den Fettstoffwechsel steuern. Dieselben Genvarianten fanden sich nur bei 2 Prozent der Europäer und 15 Prozent der Han-Chinesen. Diese Mutationen müssen bereits vor mindestens 20.000 Jahren entstanden sein, als die Vorfahren der Inuit noch in Sibirien lebten. Die genetischen Veränderungen ermöglichten das Überleben im arktischen Klima bei protein- und fettreicher Ernährung. Die Umstellung bei der Verwertung von Nahrungsfetten und der Bildung körpereigener Fettsäuren könnte auch das Körperwachstum begrenzt haben, was die Körpergröße der Menschen im Schnitt um zwei Zentimeter verringerte.

Andere Genmutationen, die ebenfalls häufiger im Genom der Inuit gefunden wurden, sorgen für einen besseren Schutz vor oxidativem Stress bei hohem Fettkonsum. Wieder andere verstärken die Erzeugung von Körperwärme durch Fettverbrennung und tragen so zum Kälteschutz bei. Außerdem verhindern veränderte Gene die Entwicklung von Fettleibigkeit und Diabetes. Davor wären Europäer bei ähnlicher Ernährung weit weniger geschützt.

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