Turbulent gegen Turbulenzen

Neue Methode reduziert Energiebedarf zum Pumpen von Flüssigkeiten durch Pipelines drastisch
Aufnahme einer turbulenten Strömung (oben): Nach einer gezielten Störung mit einem Propeller (2.v oben), konnte sich eine laminare Strömung (beide unten) ohne Turbulenzen stabilisieren.
Aufnahme einer turbulenten Strömung (oben): Nach einer gezielten Störung mit einem Propeller (2.v oben), konnte sich eine laminare Strömung (beide unten) ohne Turbulenzen stabilisieren.
© CC-BY-SA 3.0, Jakob Kühnen, IST Austria
Klosterneuburg (Österreich)/Bremen - Über tausende Kilometer strömt Erdöl durch Pipelines. Für den Betrieb der Pumpen werden immense Strommengen benötigt, um einen ausreichenden Durchfluss trotz aller bremsender Turbulenzen in der Strömung aufrecht zu erhalten. Ein deutsch-österreichisches Forscherteam entwickelte nun eine Methode, diesen Strombedarf drastisch um bis zu 90 Prozent senken zu können. In der Fachzeitschrift „Nature Physics“ berichten sie, wie sie durch zusätzliche Verwirbelungen wieder eine laminare Strömung ohne Turbulenzen erzielen – also quasi Gleiches mit Gleichem bekämpfen – konnten.

„Wir konnten identifizieren wie sich die Turbulenz die notwendige Energie aus der Grundströmung entnimmt“, sagt Marc Avila vom Zentrum für Angewandte Raumfahrttechnologien und Mikrogravitation ZARM in Bremen. Gemeinsam mit Forschern vom Forschungsinstitut IST Austria in Klosterneuburg entwickelte er eine Methode, um exakt diesen Mechanismus zu unterbrechen und so den Kollaps der Turbulenzen zu erzwingen. Zuerst simulierten sie im Computer die Turbulenzen, die in Röhren bei schnell fließenden Flüssigkeiten auftreten und einen hohen Strömungswiderstand verursachen. Ihre Rechenmodelle ergaben aber auch, dass eine gezielte, zusätzliche Störung der Strömung erst weitere Turbulenzen erregte, danach aber zu einer gleichförmigen, laminaren Strömung führte.

Mit mehreren Experimenten überprüften die Wissenschaftler das verblüffende Ergebnis ihrer Simulationen in der Praxis. So erzeugten sie in einer zwölf Meter langen, von Wasser durchflossenen Röhre zusätzliche Turbulenzen. Dazu installierten sie zum einen kleine, langsam drehende Propeller in der Röhre. Zum anderen störten sie den Wasserfluss durch weitere Wasserstrahlen, die sie durch kleine Düsen senkrecht zur Hauptströmungsrichtung injizierten. In beiden Fällen nahmen die Turbulenzen erst kurzfristig zu. Doch in dem Bereich kurz hinter der zusätzlichen Störung stabilisierte sich wie in der Simulation eine laminare Strömung frei von Turbulenzen.

Für das Auflösen der Turbulenzen machten die Forscher komplexe strömungsmechanische Prozesse verantwortlich. Durch die gezielte, zusätzliche Störung unterbanden die Forscher den sonst wirkenden Übertrag der laminaren Strömungsenergie auf turbulente Wirbel. „In der Turbulenz mischen turbulente Wirbel Bereiche der Grundströmung mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten – schnell in der Rohrmitte und langsam nah an der Wand“, erklärt Avila. Dadurch werde der Grundströmung Energie entzogen, um Turbulenzen zu erhalten. Aber durch die neue Störmethode wird die Geschwindigkeitskeitsverteilung der Grundströmung gleichmäßiger. Die Folge: Wirbel können aus diesem Profil keine Energie mehr entziehen, weil es keine Geschwindigkeitsdifferenzen gibt.

Ohne diesen Energieübertrag konnte sich hinter der Störungszone rasch eine gleichförmige, laminare Strömung stabilisieren. Diese bereits zum Patent angemeldete Methode wirkt allerdings nur in einer exakt auf Strömungsgeschwindigkeit und Flüssigkeit angepasste Störung. Aber sie bietet ein großes Potenzial, Turbulenzen in Erdöl-Pipelines mit bekannter Durchflussmenge vermeiden und somit den Strombedarf für die Pumpen senken zu können. Denn es gilt generell: Je weniger Verwirbelungen beim Transport einer Flüssigkeit durch ein Rohr entstehen, desto weniger Reibung wird erzeugt und folglich auch weniger Energie benötigt. „Das führt dann zu einer erheblichen Reduzierung des erforderlichen Energieaufwands für den Flüssigkeitstransport“, ist Avila überzeugt.

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