Struppige Polymere - dehnbar und stabil zugleich

Neues Konzept für Plastik vereint erstmals effizient Stabilität mit Elastizität
Illustration der struppigen Polymerstränge
Illustration der struppigen Polymerstränge
© Liheng Cai, Baiqiang Huang/Soft Biomatter Lab, University of Virginia School of Engineering and Applied Science
Charlottesville (USA) - Plastik wird heute in unzähligen Varianten genutzt. Mal ist ein Kunststoff dehnbar wie Gummi, mal ist es hart und fast so stabil wie Stahl. Verantwortlich für diesen Unterschied ist oft die Zahl der Querverbindungen in einem Netzwerk aus molekularen Polymerketten. Doch beide Eigenschaften – große Elastizität und hohe Stabilität – in einem einzigen Material zu vereinen, gelang bisher nur sehr eingeschränkt. Das könnte sich mit einem grundlegend neuen Bauplan für die Polymerstrukturen ändern, das nun US-amerikanische Forschende entwickelt haben. Wie genau sich Elastizität und Stabilität kombinieren lassen, erläutern sie in der Fachzeitschrift „Science Advances“.

„Stellen Sie sich ein Herzimplantat vor, das sich bei jedem Herzschlag biegt und dehnt und dennoch viele Jahre lang stabil bleibt“, sagt Baiqiang Huan, Doktorand am Soft Biomatter Laboratory der University of Virginia in Charlottesville. Bisher mussten Materialforschende dafür immer einen Kompromiss eingehen. Entweder war ihr Kunststoff sehr flexibel und dadurch wegen der geringen Anzahl an Querverbindungen nicht sehr stabil. Oder sie nutzten einen Kunststoff aus einem stabilen Netzwerk mit vielen Querverbindungen, das dadurch jedoch viel von seiner Flexibilität einbüßte.

Die Lösung dieses Problems scheint wie die Quadratur eines Kreises. Doch Huan und sein Team konzipierten nun – vorerst rein theoretisch – ein Polymer, das an eine mehrfach gefaltete Flaschenbürste erinnert. In der Mitte befindet sich ein faltbarer Polymerstrang. Von diesem zweigen zahlreiche kurze Molekülketten ab, die durch zusätzliche Abstandshalter nicht miteinander verknoten. Der Mittelstrang lässt sich auf ein Vielfaches seiner Länge dehnen. Dabei richten sich die vielen Seitenketten relativ geordnet um den Mittelstrang aus. Dadurch stabilisieren sie den gesamten Kunststoff, der trotz der sehr hohen Flexibilität nicht an Stabilität verliert.

Diesen theoretischen Bauplan für eine neuartige Kunststoffklasse überprüften die Forschenden in der Praxis. Für den Mittelstrang und die zahlreichen Seitenketten wählten sie einen flexiblen Silikonkunststoff – Polydimethylsiloxan, kurz PDMS. Als Abstandshalter zwischen den Seitenketten ergänzten sie nicht vernetzte Monomere aus Polybenzylmethacrylate. So entstand in vielen Syntheseschritten ein Kunststoff, der sich wie Gummi auf das Vielfache seiner Länge dehnen ließ. Zugleich blieb das Material vom ungedehnten bis zum gedehnten Zustand sehr stabil.

Mit diesen Versuchen belegten die Materialforschenden, dass ihr Polymerbauplan nach dem Vorbild einer Flaschenbürste prinzipiell funktioniert. Konkrete Anwendungen für den ersten Kunststoff haben sie nicht im Sinn. Doch sind sie davon überzeugt, dass sich das gleiche Konzept auf zahlreiche, verschiedene Kunststoffe übertragen lässt. Nach ihrer Meinung könnten nun viele neue Kunststoffmaterialien entwickelt werden, die Stabilität und Dehnbarkeit auf völlig neue Weise vereinen könnten.

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