Stammzellen im Gehirn schützen vor Hirntumoren

Von Stamm- und Vorläuferzellen freigesetzte Botenstoffe, die bei Kindern Glioblastom-Zellen absterben lassen, könnten Erwachsenen als Basis für neue Therapien dienen
In das Gehirn einer Maus injizierte Tumorzellen (rot) sind nach 14 Tagen von zahlreichen Stamm- und Vorläuferzellen (braun) umgeben.
In das Gehirn einer Maus injizierte Tumorzellen (rot) sind nach 14 Tagen von zahlreichen Stamm- und Vorläuferzellen (braun) umgeben.
© Prof. Dr. Rainer Glaß
München - Das Glioblastom ist der häufigste Gehirntumor bei Erwachsenen. Im jungen Gehirn ist dagegen ein natürlicher Schutzmechanismus wirksam, der das Wachstum solcher Tumoren verhindert, berichten deutsche Forscher. Der Schutz beruht auf der Aktivität von Hirnstammzellen, deren Produktion mit dem Älterwerden nachlässt. Wenn Krebszellen im Gehirn entstehen, bewegen sich die Stammzellen darauf zu und setzen Botenstoffe frei. Diese lösen in den Tumorzellen das genetische Selbstmordprogramm aus. In Versuchen mit Mäusen hemmte die Behandlung mit einem künstlich hergestellten Botenstoff das Wachstum implantierter Tumoren und verlängerte das Leben der Tiere. Das sei ein neuer Ansatz für die Therapie dieser tödlichen Krebsform, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal „Nature Medicine“.

„Aktivität und Anzahl der gehirneigenen Stammzellen nimmt vom Jugendalter an stark ab“, sagt Rainer Glaß vom Klinikum der Universität München. Und mit sinkender Menge an Stammzellen steige das Risiko, an einem primären Glioblastom zu erkranken. Zusammen mit Kollegen vom Max-Delbrück-Center in Berlin suchten Glaß und seine Mitarbeiter nach einer Erklärung für diesen Zusammenhang. In Experimenten mit Zellkulturen konnten sie zeigen, dass Stammzellen und daraus entstehende neurale Vorläuferzellen aus dem Gehirn von Mäusen und Menschen bestimmte Lipide, sogenannte Vanilloide, freisetzen. Diese docken an Rezeptoren an, die von Tumorzellen in größerer Zahl gebildet werden als von normalen Hirnzellen. Das Andocken löst Signale aus, die zum Absterben der Krebszellen führen.

Erwachsene Mäuse, denen Glioblastome verpflanzt wurden, starben früher daran als junge Tiere. Sie lebten länger, wenn ihnen gleichzeitig neurale Stammzellen injiziert wurden. Das bestätigt den mit dem Älterwerden nachlassenden Schutzeffekt der Stammzellen. Schließlich konnten die Forscher das Überleben von Mäusen mit Hirntumoren durch Behandlung mit dem synthetisch hergestellten Vanilloid Arvanil deutlich verlängern. Diese Therapie imitiert offenbar die natürliche Anti-Tumor-Wirkung der Vanilloid-produzierenden Stammzellen. „Für den Einsatz am Menschen müssen aber andere Aktivatoren des Rezeptors entwickelt werden, da der Mensch Arvanil nicht verträgt“, sagt Glass.

Das Glioblastoma multiforme zählt zu den bösartigsten Formen von Hirntumoren des Menschen. Auch nach chirurgischer Entfernung von Krebsgewebe, Bestrahlung und Chemotherapie beträgt die Überlebenszeit meist nur einige Monate.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: „Neural precursor cells induce cell death of high-grade astrocytomas via stimulation of TRPV1“, Kristin Stock et.al.; Nature Medicine online, Doi 10.1038/nm.2827


 

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