Spinnenphobie: Verhaltenstherapie am Morgen erfolgreicher als abends
„Die natürlichen Schwankungen des Cortisolspiegels auszunutzen, wäre möglicherweise eine leicht einsetzbare und ökonomische Alternative zu pharmakologischen Verstärkern einer Psychotherapie“, schreiben Johanna Lass-Hennemann und Tanja Michael von der Universität des Saarlandes in Saarbrücken. Aus früheren Studien war bekannt, dass die Einnahme eines Cortisolpräparats eine Stunde vor einer Konfrontationstherapie den Angstpegel bei Patienten mit Spinnenphobie, Höhenangst oder einer sozialen Phobie zusätzlich verringern kann. Die Forscherinnen prüften in ihrer Studie, ob man auf den Einsatz des Hormons verzichten und so mögliche Nebenwirkungen vermeiden könnte, wenn die Therapie am frühen Morgen, also bei maximalem Cortisolspiegel, erfolgt.
An der Untersuchung beteiligten sich 60 Frauen im Alter zwischen 18 und 50 Jahren mit nachgewiesener Spinnenphobie. Das Ausmaß ihrer Angststörung ermittelten die Wissenschaftler durch einen Verhaltenstest. Dazu musste die Person einen Raum betreten, in dem sich eine (mit Beinen) fünf Zentimeter große einheimische Spinne, die Winkelspinne Tegenaria atrica, in einem durchsichtigen Plastikgefäß befand. Die Stärke der Phobie wurde nun daran gemessen, wie weit sich die Probandin dem Gefäß näherte, ob sie es öffnen oder die Spinne sogar berühren konnte. Zusätzlich beantworteten alle Teilnehmerinnen Fragen eines standardisierten Tests, woraus sich die Phobiestärke anhand einer Punkteskala ablesen ließ.
Die nur einmal absolvierte Therapiesitzung fand entweder morgens um 8 Uhr oder abends um 18 Uhr statt und dauerte maximal drei Stunden. In dieser Zeit mussten sich die Frauen dazu überwinden, zunächst eine einen Zentimeter große Spinne zu berühren und auf ihren Körper zu setzen. Dieser Lernprozess wurde dann mit einer etwas größeren und schließlich mit der Winkelspinne wiederholt. Vor und während der Therapie gaben die Probandinnen mehrere Speichelproben ab, die der Messung des Cortisolgehalts dienten. Die Konfrontation mit einer Spinne hatte keine kurzzeitig verstärkte Produktion des Stresshormons zur Folge. Nach einer Woche und nach drei Monaten überprüften die Psychologinnen den Erfolg der Behandlung per Fragenkatalog und durch einen erneuten Verhaltenstest.
Bei den Patientinnen der Morgengruppe verringerte sich das Ausmaß der Spinnenphobie stärker als bei denen, die abends behandelt worden waren. Der tageszeitabhängige Therapieerfolg war auch nach drei Monaten noch messbar. Obwohl nicht direkt nachgewiesen, führen die Forscherinnen die besseren Behandlungsergebnisse in der Morgengruppe auf den höheren Cortisolspiegel zurück. Eine alternative Erklärung wäre, dass die frühe Tageszeit auf andere Weise einen positiven Einfluss hatte. Es fanden sich jedoch keine Hinweise darauf, dass eine Gruppe beispielsweise wacher und konzentrierter war als die andere. Auch im Anteil an Morgen- und Abendtypen unterschieden sich beide Gruppen nicht.