Shoppen mit Tunnelblick

„Wer weiß, dass die visuelle Aufmerksamkeit von Natur aus zum Zentrum einer Auslage gezogen wird, kann bewusst üben, einen genaueren Überblick des ganzen Angebots zu bekommen“, sagt Onur Bodur von der School of Business der kanadischen Concordia University. Gemeinsam mit Selin Atalay von der Pariser Hautes Études Commerciales (HEC) und Dina Rasolofoarison von der Aston Business School im britischen Birmingham hatte er das typische Kundenverhalten in drei verschiedenen Ansätzen untersucht. In zwei Experimenten saßen die Testpersonen bei einem simulierten Einkaufsvorgang vor Bildschirmen, während mit einer Spezialbrille ihre Blickrichtungen aufgezeichnet wurden. Dabei variierten die Forscher die Platzierung unterschiedlicher Produkte – von Lebensmitteln bis Kosmetik – und beobachteten den Einfluss auf die Kaufentscheidung. Im dritten Experiment trafen die Probanden ihre Wahl vor echten Regalen mit echten Produkten.
Das Ergebnis wiederholte sich: In den letzten fünf Sekunden des Entscheidungsprozesses konzentrierten die Menschen ihren Blick rund um das zentrale Produkt in der Auslage. Und dieses wählten die meisten schließlich auch, so Bodur. Als sie nach ihrer Entscheidungsfindung gefragt wurden, konnten sie ihre Gründe nicht genau benennen. Obendrein waren sie sich keiner konkreten Blickrichtung bewusst. Die nähere Untersuchung, so schreibt das Team, enthüllte „eine Tendenz, zuerst auf das zentrale Produkt zu schauen, und [später] einen Kaskadeneffekt für den Blick ins Zentrum – direkt vor der Entscheidung wächst schrittweise die Aufmerksamkeit für die zentrale Auswahlmöglichkeit.“ Von allen möglichen Einflussfaktoren zeigte nur diese Fokussierung einen deutlichen Zusammenhang mit der Auswahl. Demnach wird unter ähnlichen Produkten jenes am häufigsten gekauft, das in der Mitte einer Auslage steht – selbst wenn das nicht die Mitte des Blickfelds ist.