Sexueller Kannibalismus: Wie hungrige Gottesanbeterinnen Männchen täuschen

Bei großem Nahrungsmangel signalisieren die Weibchen durch verstärkte Pheromonproduktion fälschlich große Fruchtbarkeit, nur um die angelockten Männchen als Beute zu nutzen
Pseudomantis albofimbriata ist eine der häufigsten Arten von Gottesanbeterinnen Australiens.
Pseudomantis albofimbriata ist eine der häufigsten Arten von Gottesanbeterinnen Australiens.
© Donald Hobern (https://www.flickr.com/photos/dhobern/5458188554/?rb=1 ) / Wikimedia Commons (CC BY 2.0), https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/
Sydney (Australien) - Gottesanbeterinnen locken Männchen durch Pheromone an. Eine besonders starke Lockstoffproduktion signalisiert gute Ernährung und hohe Fruchtbarkeit. Für das Männchen bedeutet das: beste Voraussetzungen für zahlreiche gesunde Nachkommen – und ein geringes Risiko, nach der Paarung gefressen zu werden. Doch stark ausgehungerte Weibchen halten sich nicht mehr an das biologische Fair Play. Durch maximale Pheromonbildung täuschen sie eine höchst attraktive Paarungspartnerin vor und verspeisen das angelockte Männchen oft noch vor der Kopulation, berichtet eine australische Biologin im Fachblatt „Proceedings of the Royal Society B”. Noch ist nicht geklärt, wie das Umschalten von ehrlicher Signalgebung auf Täuschung erfolgt.

„Das ist die erste empirische Studie, die einen Beweis für sexuelle Täuschung durch chemische Signale liefert“, schreibt Katherine Barry von der Macquarie University in Sydney. Ihre Ergebnisse zeigen, dass mangelernährte Gottesanbeterinnen durch Pheromone eine gute körperliche Verfassung und eine Vielzahl von Eiern vortäuschen. Dadurch erleiden die angelockten Männchen Nachteile in zweifacher Hinsicht: Sie gehen ein hohes Risiko ein, gefressen zu werden, und haben nur eine geringe Aussicht, Nachkommen zu zeugen. Die Forscherin beobachtete das Paarungsverhalten bei australischen Gottesanbeterinnen der Art Pseudomantis albofimbriata. Es war bekannt, dass schlecht ernährte Weibchen weniger Eier bilden und auf Männchen weniger attraktiv wirken. Zudem sind sie aggressiver und können in Notzeiten durch Kannibalismus ihre Fruchtbarkeit stark verbessern.

Barry teilte 24 junge Weibchen in vier Gruppen ein, die sechs Wochen lang gut, mittelmäßig, schlecht oder sehr schlecht ernährt wurden. Dann setzte sie jeweils einzelne Insekte in kleine Käfige mit blickdichten aber luftdurchlässigen Wänden und platzierte diese auf dem Boden eines abgegrenzten Bezirks im Freien. In der Mitte der Fläche wurden dann Männchen freigelassen. Vier Tage lang registrierte die Biologin, wie viele Männchen sich auf den verschiedenen Käfigen niedergelassen hatten. Die Anzahl diente als Maß für die Attraktivität des jeweiligen Weibchens, also auch für die Stärke der Pheromonproduktion. Die Zahl der Eier im Eierstock der getöteten Weibchen gab Auskunft über ihre tatsächliche Fruchtbarkeit.

Die Auswertung der Experimente mit den ersten drei Gruppen – gut, mittelmäßig und schlecht ernährt – lieferte die erwarteten Ergebnisse: Je besser die Ernährung, desto höher die Fruchtbarkeit und desto stärker die Attraktivität. Erstaunlicherweise hatte aber die vierte Gruppe der am schlechtesten ernährten Weibchen die meisten Männchen angelockt – obwohl ihre Fruchtbarkeit am geringsten war. Die Weibchen der erstgenannten drei Gruppen produzierten also ein ehrliches Geruchssignal. Die anderen dagegen täuschten die Männchen. In einer Notsituation versuchten sie durch maximale Pheromonproduktion Männchen anzulocken, aber nicht um sich mit ihnen zu paaren, sondern nur um sie zu fressen. Was den Wechsel von ehrlicher Signalgebung zur Täuschung auslöst, ist noch nicht bekannt. Die Weibchen könnten die Strategie verfolgen, schreibt Barry, in Hungerszeiten möglichst viel Energie in die Bildung von Lockstoffen zu stecken und dafür die aufwendigere Produktion von Eiern bis nach dem kannibalistischen Mahl einzuschränken.

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