Selbstmord: Bluttest verrät Risiko

Stark veränderte Aktivitäten bestimmter Gene in Blutzellen helfen dabei, suizidgefährdete Patienten mit psychischen Störungen zu erkennen
Jährlich sterben mehr als eine Million Menschen durch Suizid.
Jährlich sterben mehr als eine Million Menschen durch Suizid.
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Indianapolis (USA) - Für viele Patienten mit psychischen Störungen besteht ein erhöhtes Selbstmordrisiko. Wie hoch die Suizidgefahr aber im Einzelfall tatsächlich ist, lässt sich bisher nicht zuverlässig ermitteln. Durch einen genetischen Bluttest ist es amerikanischen Forschern jetzt gelungen, die Wahrscheinlichkeit einer Selbsttötung bei Männern mit einer bipolaren Störung vorauszusagen. Die Ergebnisse könnten dazu beitragen, die biologischen Mechanismen aufzuklären, die einer Suizidneigung zugrunde liegen. Vor allem jedoch wäre ein solcher Gentest ein objektives Verfahren zur frühzeitigen Identifizierung stark gefährdeter Patienten, denen dann besser geholfen werden könnte. Die Zuverlässigkeit der neuen Testmethode muss allerdings noch in größeren Studien überprüft werden, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Molecular Psychiatry“.

„Es gibt Menschen, die – wenn man sie fragt – nicht zugeben, dass sie Selbstmordgedanken haben. Und wir verfügen über keine objektiv messbaren Merkmale dafür“, sagt Alexander Niculescu von der Indiana University in Indianapolis. Die Studie seines Forscherteams zeigt nun, dass es prinzipiell möglich ist, durch Messungen von Genaktivitäten in Blutzellen suizidgefährdete Menschen zu erkennen. Über einen Zeitraum von drei Jahren untersuchten die Forscher zunächst Blutproben von neun Patienten mit einer bipolaren Störung. Bei dieser Erkrankung kommt es zu wechselnden Phasen von manischen und depressiven Stimmungen. Einige Blutproben wurden in Zeiten besonders intensiver Selbstmordgedanken entnommen. Deren Messwerte verglichen die Wissenschaftler mit denen, die von Proben aus weniger düsteren Stimmungsphasen stammten.

Dabei ergaben sich starke Unterschiede in der Aktivität von 41 Genen. Ein zusätzlicher Vergleich mit Blutproben anderer Patienten, die sich selbst getötet hatten, lieferte noch deutlichere Unterschiede bei 13 dieser Gene. Das bestätigte sich durch Bluttests bei einer weiteren Gruppe von 42 Männern mit einer bipolaren Störung. Die größte Aussagekraft hatten die Aktivitätswerte von vier der 13 Gene: Sie ließen mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass eine Person entweder zuvor schon einmal wegen eines Selbstmordversuchs in ein Krankenhaus eingeliefert worden war – oder später noch eingeliefert wurde. Bei einer weiteren Gruppe von 46 Männern, die unter Schizophrenie litten, waren die Ergebnisse ähnlich, aber weniger deutlich. Die Art der Gene, die bei hoher Suizidneigung stark veränderte Aktivitäten zeigen, lassen vermuten, dass biochemische Reaktionen im Zusammenhang mit Stress, Entzündungen und programmiertem Zelltod für den Tötungswunsch verantwortlich sein könnten.

Es wäre möglich, dass es bei Frauen und bei Menschen, die nicht wegen psychischer Störungen selbstmordgefährdet sind, zu anderen Resultaten käme, sagt Niculescu. Auch Drogenabhängigkeit, Unzufriedenheit und Schicksalsschläge können das Suizidrisiko erhöhen. Ob sich in diesen Fällen die Aktivitäten derselben Gene in gleicher Weise verändern wie bei Patienten mit einer bipolaren Störung, ist ungewiss. Weltweit sterben jährlich mehr als eine Million Menschen durch Suizid, sagt Niculescu. Diese Tragödie ließe sich verhindern. Voraussetzung dafür sei aber eine Früherkennung der Gefährdeten.

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