Selbstheilender Diabetes: Fette Grizzlybären sind nur vorübergehend zuckerkrank

Forscher wollen ungewöhnlichen Regulationsmechanismus des Stoffwechsels aufklären, um neue Therapien zu entwickeln
Der nordamerikanische Grizzlybär (Ursus arctos horribilis) hält etwa ein halbes Jahr Winterruhe.
Der nordamerikanische Grizzlybär (Ursus arctos horribilis) hält etwa ein halbes Jahr Winterruhe.
© Kevin Corbit
Thousand Oaks (USA) - Grizzlybären müssen sich während des Sommers ein Fettpolster anfressen, um die Wintermonate zu überstehen. Im Herbst sind sie dann fettleibig. Während der Winterruhe entwickeln sie eine Art von Diabetes, was aber nur bis zum nächsten Frühjahr andauert. Wie diese Selbstheilung funktioniert, haben amerikanische Forscher jetzt untersucht. Sie erhoffen sich dadurch Hinweise auf neue Möglichkeiten einer Diabetestherapie. Denn auch fettleibige Menschen haben ein erhöhtes Risiko, an Diabetes vom Typ 2 zu erkranken. Dabei reagieren die Körperzellen nicht mehr empfindlich genug auf Insulin. Das Hormon kontrolliert den Blutzuckerspiegel und beeinflusst auch die Fettbildung. Die Bären verfügen jedoch über einen Regulationsmechanismus, der die Insulinwirksamkeit den Jahreszeiten anpasst. Das ermöglicht es den Tieren, trotz vorübergehender Fettleibigkeit nicht dauerhaft zuckerkrank zu werden, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Cell Metabolism“.

„Unsere Ergebnisse bilden einen Gegensatz zur allgemeinen Auffassung, dass Fettleibigkeit beim Menschen zu Diabetes führt“, sagt Kevin Corbit vom Biotechnologieunternehmen Amgen. Bei fettleibigen Menschen kommt es zu einer Insulinresistenz, der Insulin- und Zuckerspiegel im Blut steigt und der Abbau von Speicherfett ist gehemmt. Dagegen behält das Insulin bei Grizzlybären, die sich bis zum Oktober ein Fettpolster angefressen haben, zunächst seine Wirksamkeit. Erst mit Beginn der Winterruhe werden die Zellen insulinresistent. Hormon- und Zuckerspiegel bleiben aber normal und durch verstärkten Fettabbau verbrauchen die Tiere in dieser Zeit ihre Energiereserve. Im Frühjahr dann wird die Wirksamkeit des Insulins wiederhergestellt.

Der Zustand einer „gesunden Fettleibigkeit“ vor der Winterruhe beruht auf einer verringerten Produktion des Enzyms PTEN in den Fettzellen, stellten die Forscher fest. Das Enzym spielt eine wichtige Rolle für einen bestimmten Weg der Signalübertragung. Die Hemmung verhindert eine Insulinresistenz bei starker Zunahme der Fettmasse. Dieser Zusammenhang wurde auch bei einigen fettleibigen Menschen beobachtet: Patienten mit schwacher PTEN-Aktivität entwickelten keinen Diabetes. Daher könnte ein Wirkstoff, der die PTEN-Funktion im Fettgewebe blockiert, möglicherweise die Entstehung von Diabetes verhindern.

Die Forscher arbeiteten mit Grizzlybären im Alter zwischen zwei und zehn Jahren. Bis zu sieben Monate im Jahr verbringen diese Braunbären in einer Winterruhe. Das Körpergewicht der in dieser Arbeit untersuchten Tiere nahm zwischen Mai und Oktober um 22 bis 54 Prozent zu, die Fettmasse stieg um 35 bis 120 Prozent.

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