Seismische Wellen nach dem Tonga-Ausbruch

Die gewaltige Eruption des Pazifik-Vulkans vor einem Jahr offenbart bisher kaum beachtete Wechselwirkungen mit der Erde
Satelliten fotografierten die Eruptionswolke des Hunga Tonga-Hunga Ha’apai am 15. Januar 2022.
Satelliten fotografierten die Eruptionswolke des Hunga Tonga-Hunga Ha’apai am 15. Januar 2022.
© NASA/NOAA, GOES-17
Santa Cruz (USA) - Vor einem Jahr brach der Vulkan Hunga Tonga-Hunga Haʻapai mit gewaltigen Wucht aus. Satellitendaten zeigten, dass die Eruptionssäule bis zu 58 Kilometer hoch war und damit bis in die Mesosphäre reichte. Der Ausbruch dieses submarinen Vulkans im Inselstaat Tonga im Pazifik zählt zu den stärksten des vergangenen Jahrhunderts und könnte sogar heftiger als der Pinatubo-Ausbruch 1991 auf den Philippinen gewesen sein. Zahlreiche Vulkanologen und Geophysiker analysieren seitdem die Dynamik und die zahlreichen Folgen des Tonga-Ausbruchs. Eine französisch-amerikanische Arbeitsgruppe betrachtete nun die Auswirkungen der Eruption auf die Atmosphäre und den Erdkörper genauer. Ihre Ergebnisse zur komplexen Ausbreitung verschiedener Wellen durch die gesamte Erde präsentieren sie nun in der Fachzeitschrift „Scientific Advances“.

Nach einem Vulkanausbruch breiten sich – vergleichbar mit einem Erdbeben – seismische Wellen durch die Erde aus. Zudem verursachte der Tonga-Ausbruch eine 15 Meter hohe Tsunamiwelle im Pazifik. Durch die Atmosphäre wanderte eine Druckwelle rund um den Globus und konnte sogar noch im fernen Europa mit einem Luftdruck-Impuls von etwa 1,5 Hektopascal nachgewiesen werden. Doch die enorme Stärke des Ausbruchs erlaubte auch die Analyse von komplexeren Auswirkungen mit dem Erdkörper. Die Arbeitsgruppe um Ricardo Garza-Girón von der University of California in Santa Cruz wertete dazu Messdaten von Erdbebenstationen und Satellitenaufnahmen aus.

Für ihre Studie konzentrierten sich die Forscher auf einen Zeitraum von etwa viereinhalb Stunden nach der Tonga-Eruption. Dabei entdeckten sie, dass sich der rasante Lava-Ausstoß in die Atmosphäre mit Geschwindigkeiten von bis zu 300 Metern pro Sekunde auf bisher wenig bekannte Weise auf die feste Erde auswirkte. Denn die schnelle Eruption nach oben verursachte senkrecht nach unten gerichtete Rückstellkräfte auf die Erde in der Größenordnung von etwa 20 Billionen Newton. Das entspricht der Kraft, die eine Masse von 2000 Millionen Tonnen ausübt. Ursache dafür ist die Impulserhaltung, die natürlich auch für Vulkanausbrüche gelten muss. Diese Kräfte führten ebenfalls zu seismischen Wellen, die sich in den Messdaten, den Seismogrammen, identifizieren ließen. Diese Wellen wurden allerdings noch von den Wellen eines zweiten Effekts – dem Kollaps der Magmahöhle des Vulkans – überlagert. Diese wurde mit dem Ausstoß der Magmamassen zum großen Teil geleert und fiel danach in sich zusammen.

Mit ihrer Analyse bestätigen die Forscher die enorme Wucht des Tonga-Ausbruchs. Ob er tatsächlich heftiger war als der Pinatubo-Ausbruch, können sie noch nicht eindeutig sagen. Diese Frage wird sich jedoch mit weiteren Analysen wahrscheinlich schon bald beantworten lassen. Parallel zu den seismischen Folgen untersuchen andere Forschergruppen auch die Auswirkungen des Tonga-Ausbruchs auf die Atmosphäre und sogar das Klima. Denn beim Ausbruch gelangten neben Schwefeldioxid auch gigantische Wassermengen von mehr als 100 Megatonnen in die Atmosphäre. Schwefeldioxid-Aerosole schirmen einfallendes Sonnenlicht ab und können zu einer globalen Abkühlung über einige Jahre beitragen. Wegen der relativ geringen Mengen im Vergleich zu früheren Vulkanausbrüchen ist dieser Kühleffekt allerdings gering. Zusätzliches Wasser dagegen verstärkt den Treibhauseffekt und hat das Potenzial für eine allerdings nur kurzfristig über wenige Jahre wirkende Erhöhung der mittleren Erdtemperatur.

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