Schräger Effekt: Je feuchter die Hitze, desto wärmer der Drink

Wenn sich auf kalten Getränkedosen Kondenswasser bildet, erwärmt es den Inhalt, statt zu kühlen - bei feuchter Hitze deutlich mehr als bei trockener.
Seattle (USA) - Wenn Wasser auf der Haut verdampft, sorgt das für angenehme Kühle – die Moleküle brauchen zum Verdampfen Energie und ziehen sie in Form von Wärme ab. Doch bei schwüler Hitze kann auch der umgekehrte Effekt gelten, wie zwei US-Forscher jetzt am publikumswirksamen Beispiel zeigten: Wenn sich Kondenswasser auf eisgekühlten Getränken niederschlägt, können sie dadurch schneller erwärmen als durch warme Umgebungsluft. Bei schwüler Sommerhitze geschieht dies mehr als doppelt so stark wie bei trockener Sommerhitze, schreiben die Forscher in der Zeitschrift „Physics Today“. Ihre Experimente zum bekannten Effekt sollen aber weniger den Trinkfreudigen dienen als vielmehr ein Phänomen veranschaulichen, das zunehmend für extreme Wetterphänomene mitverantwortlich ist. Mit der globalen Erwärmung dürfte das Umwandeln der sogenannten latenten Wärme in der Atmosphäre die Sturmbildung beschleunigen. Im Kleinen sorgt der Effekt verblüffenderweise für warme Getränke.

„Ich war überrascht, dass eine solch dünne Wasserschicht für derart viel Erwärmung sorgt“, erklärt Dale Durran, Atmosphärenforscher an der University of Washington. „Vermutlich ist der wichtigste Zweck einer Schaumstoff-Kühlhülle nicht das Isolieren der Getränkedose, sondern das Fernhalten des Kondenswassers.“ Ein nur ein zehntel Millimeter dicker Wasserfilm auf der Getränkedose erwärmte den Doseninhalt in fünf Minuten bereits um bis zu fünf Grad Celsius. Durran und Kollege Dargan Frierson hatten angesichts vieler Beispiele für Verdunstungskälte nach anschaulichen Auswirkungen für den gegenläufigen Effekt gesucht. In einer alten Klimakammer, die einst Wolkenbildung im Labor simuliert hatte, testeten sie die Theorie in der Praxis. Ihr Team kühlte handelsübliche 0,33-Liter-Getränkedosen aus Aluminium in Eiswasser und setzte sie dann abgetrocknet in die Kammer – unter unterschiedlichen Klimabedingungen. Nach je fünf Minuten wogen sie die Dosen, um die Menge an Kondenswasser festzustellen, und maßen die veränderte Temperatur im Inneren. Eine spezielle Vorrichtung an den Deckeln verhinderte, dass dabei Luft entwich und das Ergebnis verzerrte.

Die Experimente zeigten deutlich, dass Luftfeuchtigkeit beim Erwärmen einen großen Unterschied macht. Bei einer Lufttemperatur von 25 Grad Celsius und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 40 Prozent – wie in einer typischen Wohnung – war die Flüssigkeit nach fünf Minuten um rund 4 Grad Celsius wärmer; bei 85-prozentiger Luftfeuchtigkeit – wie in feuchtwarmen Orten wie Florida – sogar um 7 Grad Celsius. Betrug die Außentemperatur unter den beiden Bedingungen 40 Grad Celsius, so stieg die Innentemperatur sogar um 8 beziehungsweise bis zu 14 Grad Celsius.

Ursache des bekannten Effekts ist die Umwandlung von Wärmeenergie. Sie muss zugeführt werden, um Wasser zu Dampf zu verwandeln – per Flamme unter dem Kessel oder auch per Sonne über dem Meer. Kondensiert dieser Dampf später zu Wassertropfen, so wird sie wieder frei und erhitzt die Umgebung. Verantwortlich dafür sind die Anziehungs- und Bindungskräfte, welche Wassermoleküle als Flüssigkeit zusammenhalten. Teils liegen sie in festen Molekülhaufen aneinander. Diese Kräfte sind beim Verdampfen zu überwinden, bis alles Wasser als Dampf in der Luft aufgegangen ist. Wird diese genügend heruntergekühlt, kehrt sich der Prozess um und die Moleküle kondensieren als Tropfen flüssigen Wassers. Dabei bilden sich die Bindungen zwischen den Molekülen wieder aus und die Wärme, die einst zum Aufbrechen nötig war, wird in die Umgebung entlassen.

In der Natur ist der Effekt einer der wichtigsten Transportmechanismen in der Atmosphäre: Aufsteigender Wasserdampf, etwa über dem Meer, trifft bei zunehmender Höhe auf kalte Luftschichten. Je kühler die Luft, desto weniger Feuchtigkeit kann sie halten, der Dampf kondensiert zu Wolkentröpfchen aus. Dabei wird die latente Wärme wieder freigesetzt, kann die Luftströmungen verändern, typische Wettermuster beeinflussen und sogar Stürme befeuern – im Laufe einer Klimaerwärmung mit steigendem Effekt, sagt Ko-Autor Frierson: „Wir erwarten mit der globalen Erwärmung eine deutlich feuchtere Atmosphäre, weil wärmere Luft sehr viel mehr Wasserdampf halten kann.“ Einige Klimamodelle erwarten am Ende des Jahrhunderts bis zu 25 Prozent mehr Luftfeuchtigkeit.

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